Was UNSER AUTOR schreibt, ist Gesetz
: Wegen eines Polizeieinsatzes kommt es auf dem Kottbusser Damm zu Behinderungen

Liebling der Massenvon

Uli Hannemann

Als ich in der Hasenheide um die abseits gelegene „Wichserkurve“ biege, wie wir den bevorzugten Showroom der lokalen Exhibitionistenszene nennen, sehe ich, wie zwei Mitarbeiter des Ordnungsamts eine Frau mit freilaufendem Hund belehren.

Meinem inneren Blockwart lacht kurz das Herz im Leibe. Der freilaufende Hund ist schließlich der größte natürliche Feind des Joggers, noch vor der Zigarette, dem schlechten Wetter und akuter Lustlosigkeit. Ich will schon rufen „Recht so – ab ins Loch, wo es am tiefsten ist, und dann den Schlüssel wegschmeißen“, als ich mich gerade noch besinne. Denn das stille Mädchen mit dem harmlosem Wuschelhund ist ein billiges Opfer für die feigen Büttel. Für die eigentlich gemeinten, fies aussehenden Hunde von fies aussehenden Gestalten hätten die nie angehalten. Sie hätten die Zentralverriegelung betätigt und Stoff gegeben, dass vor ihnen eine Bugwelle aus Dealern, Eichhörnchen und Exhibitionisten bloß so zur Seite spritzt.

Das erinnert mich daran, wie ich neulich auf dem Fahrrad von einer Wanne zum Halten gezwungen wurde, nachdem ich bei Rot über eine Fußgängerampel geschlüpft war. Das haben sie natürlich gesehen. Den Muttipanzer, der mich eben noch mit der beiläufigen Routine eines Wiesenhof-Schlachters zu töten versucht hatte, angeblich nicht.

Geschwister im Heim

Der Oberbulle gebärdete sich, als hätte er Al Capone mit dem Lasso eingefangen. Vielleicht war seine Mutter mit einem Radfahrer durchgebrannt. Der Vater erhängte sich daraufhin an einer roten Fußgängerampel; Kleinoberbulle und die vier Geschwister kamen ins Heim. Nonnen, Schläge, Brotkanten. Und nun checkten drei Beamte meine Papiere in ihrer Wanne, hinter der sich der Verkehr staute – ich lauschte dem Verkehrsfunk in meinem Kopf, „Wegen eines Polizeieinsatzes kommt es auf dem Kottbusser Damm stadteinwärts zu Behinderungen“ –, einer sicherte das Geschehen und zwei sollten mich doch tatsächlich am Türmen hindern, obwohl sie doch den Ausweis hatten. Immerhin hatte ich bei beiden Aufpassern das Gefühl, dass sie diese Nummer mit dem kleinsten Polizeikessel der Welt selbst gewaltig over the top fanden und sich ein wenig für sich, vor allem aber für ihren Chef schämten. Die Konstellation kannte ich schon: ein übereifriger Kettenhund mit peinlich berührten Befehlsempfängern.

Ausnahme: Wuschelhunde

Zurück im Park. Die Ordnungspersonen radebrechen auf Englisch mit der mutmaßlich spanischen Hundebesitzerin. Ich finde die Aktion reichlich dämlich. So kann das Gesetz doch nicht gedacht sein, auch wenn mancher nun einwenden wird, dass man schließlich einheitlich formulierbare Regeln schaffen müsse.

Aber das kann man doch. Wo ist das Problem? Ich werfe hier mal eben mit wenigen Federstrichen eine Beispielskizze hin: „§ 115 regelt das Gesetz über den Freilauf von Hunden im öffentlichen Straßenland. § 115a. Fies aussehende Hunde von fies aussehenden Gestalten, die weder ihr Leben noch ihren Alkoholkonsum, geschweige denn ihre fies aussehenden Hunde im Griff haben, sind dazu angehalten, ihren fies aussehenden Hund an der Leine zu führen. § 115b. Harmlose Wuschelhunde von harmlosen Menschen sind von den in § 115a genannten Verpflichtungen ausdrücklich ausgenommen.“

So einfach ist das. Wenn ich König wäre, würde ich von morgens bis abends solche Gesetze diktieren. Wer wann wo bei Rot rüberfahren kann. Wer was wie laut in der Öffentlichkeit sprechen darf. Dass Spätis immer aufhaben müssen. Dass traurige dicke Kinder mit schlechten Noten umsonst ins Schwimmbad dürfen. Hunderte solcher Gesetze am Tag. Und dazwischen hätte ich trotzdem noch genügend Zeit, mein Leierspiel zu üben.