Gleichberechtigt gemordet

ANKLAGE Beate Zschäpe soll für die Taten der Nazi-Terrorgruppe NSU genauso verantwortlich sein wie ihre beiden toten Komplizen

■ Am Tag der Anklagerhebung gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe haben Vertreter der Parteien im Bundestag in einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde weitere Aufklärung der NSU-Morde angemahnt.

■ Der Schock über die Taten sitze in Politik und Sicherheitsbehörden weiterhin tief, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vor dem Parlament. Friedrich versprach, die Ermittlungen nun „mit Hochdruck“ voranzutreiben. Er verwies auf das Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus und die Rechtsextremismus-Datei, die eine bessere Zusammenarbeit der Behörden gewährleisten soll.

■ Die Obfrau der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Eva Högl, verlangte eine umfassende Reform des Verfassungsschutzes: „Wenn wir nur hier und da ein bisschen schrauben, haben wir die Konsequenzen aus der Mordserie nicht erkannt.“

■ Auch aus den Koalitionsfraktionen kamen Vorschläge, wie die Arbeit der Sicherheitsbehörden verbessert werden kann. Clemens Binninger (CDU) unterstützte eine Forderung der Opfer-Ombudsfrau Barbara John: Demnach müsse es für die Behörden eine Verpflichtung sein, bei Taten gegen Migranten oder Ausländer in Richtung Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus zu ermitteln, wenn es keine Anhaltspunkte für das Motiv gibt. (cja, epd)

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Generalbundesanwalt Harald Range hat Anklage gegen Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft bei zehn Morden der rechten Terrorgruppe NSU erhoben. Das teilte er am Donnerstag vor Journalisten in Karlsruhe mit. Außerdem hat Range vier NSU-Unterstützer angeklagt, den ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, Holger G., Carsten S. und André E. (siehe links). Der Prozess wird voraussichtlich im Frühjahr 2013 beim Oberlandesgericht (OLG) München beginnen.

Die heute 37-jährige Beate Zschäpe sei von Beginn an gleichberechtigtes Mitglied des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gewesen, sagte Range. Die zehn Morde an migrantischen Kleingewerblern und einer Polizistin wurden zwar von ihren Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ausgeführt. Doch die drei seien ein „einheitliches Tötungskommando“ gewesen. Die Morde seien als „gemeinsame Taten“ zu werten, die in einer „abgestimmten Arbeitsteilung“ verübt wurden. Zudem gebe es Anhaltspunkte dafür, dass sich Zschäpe beim Mordanschlag vom 9. Juni 2005 in Nürnberg in der Nähe des Tatorts aufgehalten hat.

Zschäpe wird vor allem vorgeworfen, dass sie für die Gruppe eine „unauffällige Fassade“ schaffte. Sie haben einen „Anschein von Normalität“ geschaffen und den Nachbarn die häufige Abwesenheit von Böhnhardt und Mundlos erklärt. Außerdem habe sie die Logistik der Terrorgruppe „maßgeblich“ organisiert. Sie soll die Finanzen der Gruppe verwaltet haben. Auch Ausweispapiere und mindestens eine Waffe soll sie organisiert haben. Zuletzt soll sie die CD, in der sich der NSU zu den Morden bekannte, an Zeitungen und andere Empfänger verschickt haben.

Neben Mitwirkung an den Morden wird Zschäpe auch die Mittäterschaft an zwei Sprengstoffanschlägen in Köln und 15 Banküberfällen vorgeworfen. Schließlich habe sie am 4. November 2011, nach dem Auffliegen des NSU, das Wohnhaus in Zwickau in Brand gesteckt, in dem das Trio die letzten Jahre lebte. Dies wertete Range als dreifachen versuchten Mord. Nur durch Zufall überlebten eine Nachbarin, die auch in dem Haus wohnte, sowie zwei im Haus tätige Handwerker.

Wenn Zschäpe tatsächlich wegen Mordes verurteilt wird, muss die Strafe auf „lebenslänglich“ lauten. Eine Milderung ist dann nur möglich, wenn Zschäpe vor Eröffnung des Hauptverfahrens als Kronzeugin auspackt. Doch danach sieht es bisher nicht aus. Offensichtlich wollen die Anwälte den Mordvorwurf im Prozess erschüttern. So könnten sie argumentieren, dass Zschäpe nur von den Banküberfällen wusste, nicht aber von den Morden.

Welche Beweise die Bundesanwaltschaft in petto hat, ergibt sich aus der fast 500 Seiten dicken Anklage. Zu der wollte Range jedoch keine Fragen beantworten, weil sie den Anwälten noch nicht zugestellt ist.

Range betonte aber, dass es keine Hinweise auf Helfer vor Ort gab. Böhnhardt und Mundlos hätten die Tatorte jeweils selbst ausgekundschaftet. Auch eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, etwa dem Ku-Klux-Klan oder der NPD, konnten die Ermittler nicht feststellen. An den Ermittlungen hatten zehn Staatsanwälte und über vierhundert Polizisten teilgenommen. Sie vernahmen mehr als 1.200 Personen und prüften 6.800 „Beweisgegenstände“. Im Schutt des Wohnhauses in Zwickau und im zuletzt benutzten Wohnmobil fanden die Ermittler auch zahlreiche Datenträger. Diese dürften Aufschluss über die Kommunikation der Gruppe gegeben haben. Eine Vorratsdatenspeicherung war hier offensichtlich nicht erforderlich.

Zschäpe kam Berichten zufolge am 2. Januar 1975 in Jena zur Welt. Ihre Mutter war beim Studium in Rumänien eine Liaison mit einem rumänischen Kommilitonen eingegangen – Zschäpes Vater. Nur zwei Wochen nach der Geburt ging Zschäpes Mutter zurück nach Rumänien. Die Tochter wuchs zunächst bei der Großmutter auf. Sie sei ein „Oma-Kind“, sagte Zschäpe in den Vernehmungen.

Als 1989 die Wende in der DDR kam, wandte sich die damals 14-Jährige immer stärker der in Jena erstarkenden Rechtsextremen-Szene zu. Mit 16 Jahren lernte sie Uwe Mundlos kennen, er wurde ihr Freund. Später verliebte sie sich in Uwe Böhnhardt, dessen besten Freund. Ab 1995 traten sie fast nur noch als Trio auf. In Vernehmungen bezeichnete Zschäpe die beiden Männer als ihre „Familie“.

(mit Material von afp)