LeserInnenbriefe
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Die Kirche hat wenig dazugelernt

betr.: „Sieben Thesen zur Judensau“, taz vom 8. 7. 17

Die offizielle Evangelische Kirche hat es bis heute nicht fertiggebracht, sich ihren antijüdischen Wurzeln zu stellen und deren Tendenz, sich dem staatlichen Antisemitismus hinzugeben, zu untersuchen. Da zu befürchten steht, dass dies so bleibt, sollte es nicht der Kirche zuallererst überlassen bleiben, sich mit dem christlichen Antisemitismus zu befassen. Von der „schlummernden“ und auch offenen Gewalt der „Judensau“ ist die deutsche Geschichte voll. Meine Mutter und ihre Geschwister sind in den 1920er und 30er Jahren in ebendieser Stadtkirche Wittenbergs konfirmiert worden. Nach 1933 waren es „Halbjuden“. Ihre Eltern, bis dahin hoch angesehene Wittenberger Bürger, waren nun der „jüdisch versippte“ Vater und die „jüdische“ Mutter, die 11 Jahre später ermordet wurde. Wir – mein Mann und ich – können ein Lied davon singen, wie schwer es immer noch ist, für deren Rehabilitierung zu kämpfen. Und die evangelische Kirche hat wenig dazugelernt – es ist eine scheinbare Rehabilitierung.

UTE HABECK-STUMMEYER, Heidelberg

Kleine Gewerkschaft – großes Ego?

betr.: „Pro & Contra Tarifeinheitsgesetz“, taz vom 12. 7. 17

Sie schreiben: „Die kleinen Gewerkschaften betreiben meist einen rabiaten Egotrip. Sie versuchen für sich selbst möglichst hohe Gehälter durchzusetzen – und sehen gelassen zu, wenn die anderen Beschäftigten im Betrieb deutlich weniger erhalten.“

Diese Beschreibung trifft Wort für Wort auf die Bosse der Aktien­gesellschaften und globalen Konzerne zu. Die Gewerkschaften sind nur schwer in der Lage, für ihre Klientel den gerechten Anteil an den Gewinnen durchzusetzen, weil sofort mit Betriebsverlagerung und Arbeitsplatzverlust gedroht wird. Nur die Sparten Gewerkschaften sind in der Lage, auf Augenhöhe mit den Bossen zu verhandeln. Es ist bedauerlich, dass sie dafür von den Medien und den jeweils betroffenen Bevölkerungsteilen gescholten und diffamiert werden. Was sie durchsetzen, wird man auf Dauer den anderen Arbeitnehmern nicht vorenthalten können. Im Kielwasser der Sparten Gewerkschaften könnten die großen Gewerkschaften ähnliche Forderungen leichter durchsetzen. Bei den Spartengewerkschaften wird Solidarität angemahnt. Aber im kapitalistisch geprägten globalen Wirtschaftssystem wird nicht Solidarität belohnt, sondern die rabiate Durchsetzung der Eigeninteressen! PETER SCHAEFER, Reutlingen

Das Kapital, das scheue Reh

betr.: „12 Millionen Stinker dürfen nicht irren“, taz vom 18. 7. 17

Wundert sich jemand, dass für die Automobilindustrie die Konsequenzen für ihre Schummelei bei den Abgaswerten ausbleiben? Ein paar Beispiele: Bei meinem privaten Kaminofen misst der Schornsteinfeger akribisch die Rußwerte – aber vor meinem Bürofenster am Kieler Hafen dürfen die Kreuzfahrer weiter vor sich hin qualmen. Bei meinem Abwasserrohr zu Hause muss ich nachweisen, dass kein Tropfen daneben geht, und ich werde mit Fristsetzung dazu aufgefordert, eine Expertise erstellen zu lassen. Während dessen kann der Großmäster nebenan tonnenweise Gülle auf die Felder kippen. Gleichzeitig dürfen sich die Discounter nicht isolierte Blechhütten auf die Wiese stellen und in den Einkaufsstraßen wird im Winter zur offenen Tür heraus geheizt, ohne dass es jemand beanstandet. Das Kapital ist eben wie ein scheues Reh, das man nicht erschrecken darf . . .

CLAUS MISFELDT, Molfsee

Gletschereis zu Wasser und zu Land

betr.: „Ein Eiswürfel, eine Billion Tonnen schwer“, taz vom 15. / 16. 7. 17

Ich zitiere aus Ihrem Artikel zum Gletscherabbruch: „Auf die Höhe des Meeresspiegels wird das kaum Auswirkungen haben. Die Masse war ja vorher auch schon da – als Eis.“

Dies ist als Erklärung des Archimedischen Prinzips pädagogisch vorbildlich. Überzeugt auch Leute, die mit Physik nichts am Hut haben. Leider habt ihr nicht bedacht, dass nun einige dieser Leute glauben, ihnen würde ein Licht aufgehen: „Diese ganze Panikmache wegen Gletscherschmelze und steigendem Meeresspiegel! Die Klimaskeptiker haben also doch recht!“ Haben sie natürlich nicht, denn nur die Eismassen, die sich bereits im Wasser befinden, erhöhen beim Tauen nicht den Meeresspiegel. Und Gletschereis kommt hauptsächlich von Land.

WERNER HUTH, Ascheberg

Bosbachs Abgang war geplant

betr.: „Aufgeben ist auch keine Lösung“, taz vom 14. 7. 17

Nicht zu übersehen war, dass Herr Bosbach offensichtlich von Anfang an geplant hatte zu gehen, und es ihm erst beim dritten Anlauf gelang. Nicht zu übersehen auch, dass der Spiegel-Journalist, der im Gegensatz zu Frau Ditfurth und Herrn von Alen nicht vor Ort gewesen war, wesentlich mehr Redezeit bekommen hat. Nicht zu überhören war, dass auch andere Menschen Kommentare machten und anderen ins Wort fielen. Auf keinen Fall stach da Frau Ditfurth besonders hervor. Sie hat aber, anders als die meisten Anwesenden, eine ziemlich differenzierte Schilderung ihrer Beobachtungen gegeben, und zwar eine, die man so nicht in den Medien liest. Herzlichen Dank an sie dafür! Heute Morgen las ich auf einem abgestellten Sofa ein Graffiti: „Kaputte Autos = Terror, Afghanistan = sicheres Herkunftsland“. Es wäre schön, wenn die taz Geschehnisse und politische Scharfmacherei ins Verhältnis setzen würde. CHRISTIANE BRÜCKNER, Berlin