Warum „Jamaikaner“ so konservativ sind

Das Unions-Gerede von Schwarz-Gelb-Grün ist Taktik im Clinch mit der SPD. Dahinter stecken aber langfristige Ziele

Die Union will sich durch die Gesprächsbereitschaft modernund als Großstadtpartei zeigen

BERLIN taz ■ Alle reden jetzt über die „Jamaika-Koalition“. Seit Sonntagabend gilt eine Zusammenarbeit zwischen Union, FDP und Grünen als Option für eine Regierungsbildung. Und viele in der Union tun alles, damit sie Thema bleibt. Noch nie hörte man Angela Merkel, ja selbst Roland Koch und Edmund Stoiber so freundlich über die Grünen reden.

Im Wahlkampf waren die Grünen noch wirtschaftshemmende Ökohamster, plötzlich werden sie als Vernunftmenschen beschrieben, mit denen man besser reformieren könne als mit der SPD. Es ist nicht ganz einfach, im Machtgerangel nach der Wahl zwischen kurzfristiger Taktik und langfristiger Strategie zu unterscheiden. Bei der virtuellen „Jamaika-Koalition“ kommt beides zusammen.

Fest steht: Weder Merkel noch Stoiber haben auf einmal Sympathien für Jürgen Trittin entdeckt. Für die meisten Unionspolitiker ist „Jamaika“ vor allem ein Mittel, um die eigene Handlungsfähigkeit jenseits einer großen Koalition mit der SPD zu suggerieren. Das funktioniert, bis die Grünen kategorisch, unzweideutig „Nein“ sagen. Dass sie es bald tun werden, erwarten alle. Auch jene Unionspolitiker vom liberalen Flügel, die wirklich Sympathien für die Grünen haben. Die schon vor neun Jahren zur „Pizza-Connection“ gehörten, die bei dem Bonner Italiener „Sassella“ eine Zusammenarbeit andachten. Damals war auch der heutige Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen dabei.

Doch zum kurzfristigen Zweck des Jamaika-Geredes in der Union, also dem Zeitgewinn im Poker mit der SPD, gesellt sich ein strategisches Kalkül. Man will sich durch die Gesprächsbereitschaft modern und aufgeschlossen zeigen – vor allem gegenüber Großstadtmenschen, die auch bei dieser Wahl überwiegend gegen die Union votierten. Viele in der Union machen sich Sorgen, dass die schwarz-gelbe Kombination, wie sie sich bei dieser Wahl präsentiert hat, in diesem Land nicht mehrheitsfähig ist. Deshalb brauchen sie Alternativen. Und ein Publikum, das sich an den Gedanken, dass Schwarz und Grün zusammen gehen könnten, gewöhnt. Schrittweise. Der nächste folgt spätestens vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg im Frühjahr.

LUKAS WALLRAFF