LeserInnenbriefe
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Make Love not Riot

betr.: Der G20-Gipfel und die Polizei

Schlagstock und Reizgas sind inhuman und Old School. Man schickt die partyerprobten drei Berliner Hundertschaften wieder an die Alster. Dort zelten sie neben dem Protestcamp. Schon beim gemeinsamen Aufbau kommt es zu Synergieeffekten. Abends am Lagerfeuer dann Vertiefung. Welcher Protestler würde nicht mal gerne ein Auge auf eine schicke Polizistin im Bademantel werfen und bodygestylte Bereitschafts-Adonisse beeindrucken auch Demonstrantinnen. Noch ein paar Stimmungsaufheller, und die Party ist perfekt. Make Love not Riot. Politische Bewusstseinserweiterung inklusive. RAUL DE LUZ, Berlin

Keine Toten, aber Verletzte

betr.: Sonderseiten zum G20-Gipfel in Hamburg

Danke für die vielen Hintergrundinfos und na ja, ihr habt ja irgendwie auch Sehnsucht nach einem Gipfel und nach hoffentlich starken Protesten, sonst würdet ihr nicht so viel darüber schon im Vorfeld schreiben.

Aber ich erinnere daran, dass die taz 2007 in Heiligendamm nach der großen Auftaktdemo mit Randale am Ende ungefiltert die Presseerklärungen der Sicherheitsbehörden über angeblich Hunderte Verletzte, darunter zig angeblich schwerverletzte Polizisten, übernommen hat. Erst zwei Tage später wurdet ihr kritischer. Letztlich waren die Zahlen der Polizei damals unhaltbar. Genau das wird in Hamburg so oder so passieren, die Polizei und die Politik tun alles dafür, das Ganze zu eskalieren und damit Protesten die Legitimation zu nehmen.

Gleichzeitig heizt die Aufrüstung des Staats mögliche Konflikte an, die Drohungen aus der Politik wirken wie eine Mobilisierung. Außerdem war es immer Bestandteil linker Politik, bei solch Großveranstaltungen den Staat und die herrschenden Verhältnisse mit Protesten herauszufordern und damit zu zeigen: Wenn es darauf ankommt, dann scheißt selbiger auf Bürger*innenrechte, Demonstrationsfreiheit etc. und hegt Protest so ein, dass es ins Bild passt. In Heiligendamm haben sie auf Hunderte kaum bekleidete Leute mit Wasserwerfern und körperlicher Gewalt reagiert, sie haben die Flüchtlingsdemo stundenlang nicht laufen lassen wegen angeblicher Äxte in der Demo usw. Es wurde gelogen, was das Zeug hergibt. Im Wendland wurden bei der größten friedlichen Sitzblockade mit 10.000 Teilnehmer*innen fast 1.000 von der Polizei verletzt.

Wer 10.000 Gipfelteilnehmer*innen auch aus Diktaturen und solchen Staaten einlädt, die meinen, Gewinnmaximierung und Wachstum sind der Schlüssel zum Glück, der muss auch mit Zehntausenden rechnen, die dagegen mobil machen, und ihnen auch einen Schlafplatz ermöglichen. Aber die Genehmigung von Camps waren ja schon immer ein Problem, und dann denk ich an die autokratischen Staaten, auf die wir immer blicken und diese zu Recht kritisieren. Was machen wir hier eigentlich anders? Okay, keine Tausende verhaftet, nur Hunderte; okay, keine Toten, aber Verletzte sind einkalkuliert; okay, Demos werden zugelassen, aber bitte weit genug weg. Das ist nichts anderes, als so tun als ob. T. KRETSCHMANN, Berlin

Kein schlechter Rat

betr.: „Wenn die Welt untergeht, zieh nach Österreich“, taz vom 1./2. 7. 17

Der Rat muss so schlecht nicht sein: Nach 1933 rettete er Tausenden deutschen Juden und anderen von den Nazis Verfolgten das Leben (zumindest bis zum gewaltsamen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich). Allerdings passiert in Österreich ja nicht alles später: Der Islam wurde in Österreich 1912 als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt, die Atomkraftwerke mussten in Österreich erst gar nicht abgeschafft werden, weil nach dem Volksentscheid von 1978 erst gar keine in Betrieb genommen werden durften, die Straffreiheit der Abtreibung (Fristenlösung) gibt es in Österreich schon fast 20 Jahre länger als in Deutschland, um nur einige Beispiele zu nennen.

Manchmal würde man sich auch wünschen, dass dieses Land, das nach Saskia Hödls Ansicht „ein ausgesprochenes Talent dafür hat, ständig den Schuss zu überhören“, noch viel schwerhöriger wäre: zum Beispiel 1914 bei den Schüssen in Sarajevo auf Österreichs Thronfolger. Auf die „Ehe für alle“ werden die Österreicher sicher keine zehn Jahre mehr warten müssen. War doch Österreich das erste Land Europas, das die Todesstrafe für „widernatürliche sexuelle Handlungen“ abschaffte. PETER NEUWERTH, Hinterzarten

Gesetze gegen Verschwendung

betr.: „Das Ende des Cupitalismus“, taz vom 1./2. 7. 17

Wir brauchen ganz andere Gesetze gegen Lebensmittelverschwendung: Regale dürfen nicht aus rein optisch/verkaufspsychologischen Gründen voll gehalten werden! Wenn doch, muss das mit hohen Geldbußen geahndet werden. Werbung für Fleisch entfällt ersatzlos, auch die fürs Grillen, da die Holzkohle überwiegend von unnachhaltigem Holzeinschlag in Nigeria stammt und weil hier indirekt für das Fleischessen geworben wird.

In allen Verpflegungsrestaurants der öffentlichen Hand, Verwaltungen, Kommunen, Ministerien, Parlamenten, angefangen beim Bundestag, werden tierische Produkte um 50 Prozent reduziert und eine Leitungswassertrinkkultur mittels Anschaffung und Bereitstellung von Glaskaraffen wird eingeführt.

Fakultativ für jede einzelne Kommune, die auch morgen noch reines Trinkwasser für ihre Bürger bereitstellen möchte: In den Trinkwassereinzugsgebieten und auf den umliegenden Flächen wird der Ökolandbau von den Kommunen gefördert und der konventionelle Anbau erschwert. Und – das ist ja auch die sehr intelligente Forderung der Grünen: Gülle wird nur so viel produziert, wie auf eigenen Flächen aufgebracht werden kann, dann gibt es keinen Gülletourismus mehr. ANNETTE WEBER, Heusenstamm