Black Metal im Kreuzberger Club „Musik & Frieden: Die Apokalypse findet gleich mehrfach statt
Ausgehen und Rumstehen
von
Andreas Hartmann
Man braucht wahrscheinlich einige Zeit in der Umkleide und am Schminktisch, um so fantastisch auszusehen wie die wackeren Mitglieder der US-amerikanischen Black-Metal-Band Absu bei ihrem Auftritt im Kreuzberger Musik & Frieden am Sonntagabend.
So viel Mühe beim Kriegsbemalen vor dem Spiegel wie Black-Metal-Bands, das wird jedenfalls noch einmal klar, macht sich im Popgeschäft niemand mehr, zumindest seit sich Lady Gaga abgeschminkt hat. Alle vier Musiker von Absu tragen sorgsam zerrissene Fetzen in Schwarz am Leib und haben sich richtig dick Kajal um die Augen herumschmieren lassen. Selbst Tokio Hotel würden es sich nicht trauen, so maskiert auf der Bühne herumzuturnen. Zudem trägt der Shouter, der sich mit dem Namen Emperor Proscriptor Magikus anreden lässt, als sei er eine Figur aus der umkulteten HBO-Serie „Game Of Thrones“, über seinem Gesicht eine kuriose Strumpfmaske, bei der man sich automatisch fragt, ob er mit der auch auf einer der Anti-G20-Scherben-Demos in Hamburg hätte herumlaufen dürfen oder ob er damit unter das Vermummungsverbot gefallen wäre.
Die vier sehen ziemlich queer aus, obwohl sie selbst das wahrscheinlich nicht so sehen, schließlich sind ihre ganzen Posen und das Gehabe dann doch eher machomäßig. Und offen schwul sollte man als Künstler im Black Metal sowieso lieber nicht sein, da ist das Genre ähnlich intolerant wie professioneller Männerfußball.
Nur schade, dass das Publikum nicht so richtig mitziehen möchte bei dem ganzen Mummenschanz der Band aus dem texanischen Dallas. Ein wenig kommt man sich vor wie bei einer Halloween-Party, bei der sich leider nur die Gastgeber so richtig in Schale geworfen haben. Keine Menschenseele im Zuschauerraum hat sich hier auch nur ein klitzekleines bisschen angepinselt. Die Hauptstadt ist eben einfach noch nicht so richtig bereit für das große Black-Metal-Spektakel.
In Berlin geht man halt lieber in T-Shirt und Jeans, also Casual, in den Technoclub, genauso wie zu einem Konzert einer Band, die sich immerhin selbst erklärend dem „Mythological Occult Metal“ verschrieben hat, womit wenigstens das Auftauchen ganz in Schwarz obligatorisch sein sollte.
Absu beschäftigen sich mit dem Tarot, keltischer Mythologie und ähnlichem esoterischen Schabernack, heißt es. Wenn man die Gesten des Sängers richtig deutet, werden dann auch tatsächlich alle möglichen bösen Geister und alte Gottheiten beschworen und die Apokalypse findet gleich mehrfach statt.
Den musikalischen Hokuspokus auf der Bühne zu beobachten, macht großen Spaß und man würde sich auch überhaupt nicht wundern, wenn plötzlich eine Ziege an den Hörnern auf die Bühne gezogen oder wenigstens ein kleines Blutopfer für irgendein höheres Wesen, für eine finstere Macht gebracht werden würde. Aber dann blickt man sich so um im Publikum und muss sich ein wenig auch selbst tadeln dafür, dass man in Flip-Flops auch nicht unbedingt aussieht wie ein Angehöriger eines bizarren Kultes.
Und die ganze schöne Ritual-Show vorne auf den Brettern verliert dadurch auch leider ein wenig an Aura. Trotzdem maximalen Respekt an Absu, eine US-Black-Metal-Band, die sich noch so richtig Mühe gibt, obwohl ihr das viel zu wenig gedankt wird. Seit bald 30 Jahren zieht sie nun schon umher und bietet die große Okkult-Show vor viel zu kleinem Publikum. Zur Strafe, dass nur so wenige Besucher gekommen sind, verweigert sie auch die Zugabe. Wir haben aber auch keine verdient!
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