WIE SIND WIR DENN DRAUF?
: Uns geht ein Licht auf

Das Blöde an den Laternenumzügen zu dieser Jahreszeit – in anderen Regionen auch Sankt-Martins-Umzüge genannt – war schon immer, dass es nicht genügend Lieder gibt, um eine halbstündige Wanderung um den Block zu füllen. Es ist also weniger das Singen, das den Kindern ein Leuchten in die Augen zaubert. Es sind die Lichter. Sie sind die Highlights, neudeutsch gesagt.

Neudeutsch ist in diesem Fall leider fast immer chinesisch. Denn aus China kommen die meisten Lämpchen, mit denen die Umzüge inzwischen – neudeutsch – illuminiert werden. Kerzen, also echte, die tropfen oder vom Wind ausgeblasen werden oder, noch schöner, so eine Laterne auch mal blendend in Brand setzen könnten – darf kaum noch ein Kind tragen.

Stattdessen: ein billiges buntes Plastikstäbchen samt Batterie. An seiner Spitze schaut ein plump befestigtes Kabel heraus, an dem wiederum eine kleine LED-Leuchte baumelt. Meistens so ’ne halbe Stunde, dann ist das Kabel vom Hin- und Herschaukeln abgerissen. Plastikschrott also, hektisch erworben im Drogeriemarkt für 1,50 Euro, weil jedes Jahr auch noch ganz schnell vergriffen.

Für viele Kinder gerade in den angesagten Innenstadtbezirken ist das eine der ersten Begegnungen mit „made in China“. Schließlich kriegen sie sonst ja nur pädagogisch wertvolles Spielzeug geschenkt, aus nachwachsenden Rohstoffen und von Behinderten mühselig zusammengebaut. Und sie tragen politisch korrekte Kleidung, von Bioschafen erzeugt und mit viel Liebe zur Ziernaht.

Warum also gerade bei der ersten romantischen Lagerfeuererfahrung – nichts anderes ist ja so ein Laternenumzug, selbst unter Kunstlicht – dieser Hang zum Trash? Die Eltern wollen nichts anbrennen lassen, sprich: auf Nummer sicher gehen. Was bei der Erziehung gilt – musikalische Früherziehung mit zwei, Ballett mit drei, dritte Fremdsprache mit vier, Abitur bitte mit 15 –, darf beim, wortwörtlich, Spiel mit dem Feuer natürlich nicht ignoriert werden.

Ob das so helle ist? Ein leuchtendes Vorbild sieht anders aus.

BERT SCHULZ