Herausforderung Demokratie

Transformation In Myanmar ist der Übergang zur Demokratie noch nicht irreversibel. Die Zukunft hängt stark von den Beziehungen zwischen der NLD-Regierung und dem Militär ab

Ein buddhistischer Mönch gibt in Kambodscha seine Stimme bei den Kommunalwahlen ab. In Myanmar dürfen Mönche nicht wählen Foto: reuters

Von Aung Shin

In Myanmar begann die Demokratisierung mit dem Machttransfer zu einer quasizivilen Regierung im Jahr 2010. Die langjährige Oppositionspartei, die Nationale Liga für Demokratie (NLD), trat dann zu den Nachwahlen 2012 an. Die Parteivorsitzende Aung San Suu Kyi wurde Abgeordnete im Unterhaus, und der Übergang zur Demokratie kam voran.

Bei den Wahlen im November 2015 gewann die NLD eine große Mehrheit der Sitze. Die seitdem von Aung San Suu Kyi geführte Regierung trat Ende März 2016 ihr Amt an. Nach Jahrzehnten des Kampfs für Demokratie legte endlich eine gewählte zivile Regierung ihren Amtseid ab. Doch der demokratische Übergang von einer autoritären Herrschaft zu einer zivilen ­Regierung ist eine große Herausforderung. Es ist noch offen, ob dieser Übergang irreversibel ist.

Auch Aung San Suu Kyi spricht gelegentlich von diesem vagen Übergang. Sie verweist darauf, dass „volle Demokratie“ weiterhin der Wunsch sei. Kürzlich sagte sie: „Wir sind immer noch im Übergang, wir haben noch keine volle Demokratie.“ Ihre Regierung ist mit großen politischen Hindernissen konfrontiert. Zu den Prioritäten der Regierung gehören der Friedensprozess zur Überwindung des längsten Bürgerkrieges der Welt (seit der Unabhängigkeit 1948), die Situation im westlichen Rakhaing-Staat und die Änderung der Verfassung von 2008.

„Der Übergang zur Demokratie ist noch nicht abgeschlossen. Das Militär schränkt weiter die demokratische Teilhabe der Bevölkerung ein. Wir haben eine hybride Demokratie, die stark von den zivil-militärischen Beziehungen abhängt“, sagt Min Zin, Direktor des unabhängigen Instituts für Strategie und Politik, in Rangun (Yangon).

Er ging als Student, der in der Demokratiebewegung aktiv war, ins Exil. Später studierte er in den USA. „Die Militärregierung hat 2010 den demokratischen Übergang einseitig eingeleitet und entsprechend der Verfassung von 2008 durchgezogen. Bei den Wahlen 2015 hat die Bevölkerung gegen drei starke Kräfte für die NLD gestimmt: gegen das Militär, gegen seine Cronies [Günstlinge] und gegen die nationalistischen Ideologen. Das ist bemerkenswert“, sagt Min Zin.

Die wichtigste Aufgabe für die NLD-Regierung wird sein, eine konstruktive Arbeitsbeziehung mit dem Militär zu entwickeln. Das kontrolliert als stärkste Institution des Landes 25 Prozent der Parlamentssitze. Bisher hat das Militär den demokratischen Übergang nicht sabotiert. Laut seinem Oberkommandierenden, General­stabschef Min Aung Hlaing, unterstützt die Armee den Demokratisierungsprozess.

„Das Militär wird den Weg zur Demokratie nicht blockieren, denn es braucht selbst Frieden und Ruhe. Davon hängt auch die Rolle des Militärs ab“, sagt der Armeechef.

Demokratie von oben

Myanmar hat bei der Demokratisierung schon einen weiten Weg zurückgelegt. Aus Sicht der Wirtschaft ist es sehr wichtig, dass Myanmar den richtigen Weg einschlägt und das richtige Tempo der Demokratisierung wählt. Wegen der strategischen Lage des Landes zwischen großen Wirtschaftsmächten und wegen seiner großen Ressourcen wird der Demokratisierungsprozess im Ausland aufmerksam verfolgt und erhält viel Unterstützung, sagt Pyi Wa Tun (genannt Ken Tun), Chef der Firmengruppe Parami Energy. Er ist Partner für viele ausländische Firmen im Öl- und Gasgeschäft.

„Bisher erfolgt die Demokratisierung von oben nach unten. Myanmars Erfolg hängt aber davon ab, ob die Regierung die Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen dazu bringen kann, den Prozess selbst in die Hand zu nehmen“, sagt Ken Tun.

Für Khin Maung Swe, Chef der Partei Nationale Demokratische Kraft (NDF), ist die Entwicklung der demokratischen Institutionen essenziell: „Der Demokratisierungsprozess wird sich verlangsamen, wenn die undemokratische Verfassung bestehen bleibt oder wir so etwas wie ein Einparteiensystem bekommen“, warnt er.

Der inzwischen 75-jährige Politiker war früher Mitglied im Zentralkomitee von Aung San Suu Kyis NLD. 1990 wurde er zum Abgeordneten gewählt [das Mandat durfte er wie die anderen NLD-Abgeordneten nie antreten, Red.]. Er verließ 2010 aber die Partei, weil sie die Wahlen 2010 boykottierte. Diese wurden nach der undemokratischen Verfassung von 2008 durchgeführt.

„Die drei wichtigsten Herausforderungen in unserem Demokratisierungsprozess sind erstens die Beendigung des Bürgerkriegs, zweitens die Verbesserung des Lebensstandards und drittens die Verbesserung der Beziehungen zwischen Bevölkerung und Militär“, meint Min Zin vom Institut für Strategie und Politik.