Keine Mühen der Tiefebene
: KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER

In den letzten Wochen hatte Joschka Fischer, Wahlmatador der Grünen, mehrfach erklärt, ihm würde es auch Freude machen, als Oppositionsführer einer möglichen schwarz-gelben Regierung einzuheizen. Gestern nun ließ der Außenminister verlauten, er werde das Amt eines der beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen nicht anstreben. Das heißt, er schlägt die Führung der grünen Opposition aus – es sei denn, Fischer hielte es mit der Maxime des verewigten Franz Josef Strauß: Wer unter mir Fraktionsvorsitzender wird, ist mir egal. Diese Haltung war Fischer nie fremd, wenn es um Ämter in der grünen Partei ging.

Einiges spricht indes dafür, dass nun auf den kurzen Wahlkampf ein langer Abschied folgt. Nicht dass Fischer die Mühen des parlamentarischen Tagesgeschäfts scheuen würde. Er hat sie in den 90er-Jahren nach seiner Rückkehr in den Bundestag auf sich genommen – sehr zur Freude des unterhaltungshungrigen Publikums. Eher mag bei ihm das Gefühl vorherrschen, den Niederungen der deutschen Politik entwachsen zu sein. Schon sein Wunsch, im Rahmen einer reformierten EU das Amt eines europäischen Außenministers zu bekleiden, zeigte diese Richtung. Staatsmann im Kreis der Mächtigen dieser Erde, die Hände gefaltet, die Stirn sorgenumwölkt, diesem Karrierehöhepunkt und -ende strebte er zu, und diese Umgebung hielt er für das ihm gemäße Ambiente.

Daraus wurde nichts. So wird er die Rolle des immer noch quicklebendigen Elder Statesman ansteuern. Dies umso mehr, als das, was Fischer als Realpolitik in den auswärtigen Beziehungen wie in der deutschen Innenpolitik ansieht, heute zum Gemeingut weiter Teile der grünen Partei gehört. Sein Feld ist bestellt. Und mit altersmildem Lächeln wird er Versuche begleiten, den Grünen auf den Oppositionsbänken so etwas wie einen zweiten programmatischen Atem einzuhauchen.

Die Feststellung, dass Rot-Grün Geschichte ist, hat für Fischer nichts Beunruhigendes. Jetzt geht es nur noch darum, seinen Platz in dieser Geschichte zu festigen. Darin ähnelt er einem anderen geschichtsbewussten Elder Statesmen aus der Pfalz – der trotz mancher Fährnisse sein Plätzchen in der Geschichte schon sicher hat.