Ein roter Fleck auf weißem Grund

DIE US-WAHL IN BERLIN

Ich sinnierte darüber, was die Abwahl Obamas mit amerikanischem Rassismus zu tun hätte

Was bleibt, ist ein Anflug von Angst. Die Sorge, dass alles vorbei sein könnte, erfasste mich am Mittwoch um 2.22 Uhr, als Florida zu kippen drohte – Richtung Romney. Nein, nicht schon wieder Florida! Dieses Demokratengrab, in dem schon Al Gore versackte. Und jetzt aus der Traum für Barack Obama, bye-bye, end of the story? Himmel, hieße das noch weniger Gerechtigkeit in den USA? Irankrieg, Weltuntergang? Überlegungen, die im Nachhinein vielleicht etwas übertrieben klingen. Die mich aber vor Schreck in einen Cheeseburger beißen ließen, der längst kalt geworden war.

Sollte der Mann, dem ich mich mal so nah fühlte – im Juli 2008 an der Siegessäule – nach vier Jahren schon wieder verschwinden? Mit Nobelpreis, aber ohne Frieden? Das durfte doch nicht wahr sein. Ich wusste, jetzt musste ich alles geben. Meinen kleinen Beitrag leisten, um das hoffnungsvolle Gefühl von damals wieder zu entfachen, auf dass es mich und die letzten Wähler erwärmen sollte. Also Burger in die Mikrowelle und eine Flasche Cabernet Sauvignon geöffnet, kalifornischen natürlich. Das musste doch Glück bringen.

Aufgewärmt sinnierte ich darüber, was die Abwahl Obamas mit amerikanischem Rassismus zu tun hätte. Und mit meinem. Warum musste ich gerade jetzt an den schwarzen Passanten denken, dem ich auf dem Weg zum Spätkauf begegnet war? „Are my brothers in the park?“, hatte er mich gefragt, offenbar seine Dealerkollegen meinend, die im Görlitzer Park Drogen zu verkaufen pflegen. Der Mann hatte Angst vor einer Razzia – ich konnte ihm nicht helfen. Ich konnte mich nur freuen, als um 5.16 Uhr Obama doch gewonnen hatte, und riss die müden Arme in die Luft – mit Cabernet-Glas in der Hand. So bleibt von dieser Wahlnacht auch ein großer Rotweinfleck auf unserem weißen Sofa. LUKAS WALLRAFF