Schulden machen mit SenFin

SPRACHE IM SENAT

Wer hier noch nie war, der versteht erst mal nichts

Gut zwei Dutzend Männer und Frauen sitzen im Abgeordnetenhaus vor aufgeklappten Computern und debattieren über den Nachtragshaushalt. Jochen Esser, der Finanzexperte der Grünen, erregt sich über die Koalition. Er kritisiert eine rote Nummer, fordert für 2013 eine schwarze Null und will das von „SenFin“ besser erklärt bekommen. Und viele nach ihm reden genauso.

Der Hauptausschuss des Parlaments tagt mindestens jeden zweiten Mittwoch. Ohne Zustimmung dieses Gremiums fließt kein einziger Euro, den das Land Berlin ausgibt. Über die Gelder entscheiden die Abgeordneten nicht im Geheimen: Um 444 Millionen für den Flughafen geht es diese Woche, und auch diese Sitzung ist öffentlich. Öffentlichkeit bedeutet nur leider nicht immer Transparenz.

Rote Nummer? Schwarze Null? Wer gelegentlich im Ausschuss vorbeischaut, der weiß, dass hinter diesen kryptischen Begriffen eine Regierungsantwort auf Ausschussfragen und „Keine Miese machen“ stehen. Wer hier noch nie war oder buchhalterisch nicht vorgebildet ist, der versteht erst mal nichts.

Natürlich entwickelt jede Gruppe eine Arbeitssprache – „SenStadt“ geht einfach schneller über die Lippen als „Senatsverwaltung für Stadtentwicklung um Umwelt“. Bloß hilft das nicht weiter, wenn man auch außerhalb des kleinen Kreises verstanden werden will. Ein sprachlicher Tiefpunkt jeder Plenarsitzung ist stets, wenn der Parlamentspräsident oder seine Stellvertreter die zentrale Debatte beenden: „Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.“ Solche Wendungen sind nicht wirklich geeignet, die Schulkassen auf den Besuchertribünen für den Parlamentarismus zu begeistern.

Nun sind Abgeordnete frei in ihrer Wortwahl, solange sie nicht beleidigend oder säuisch daherkommt. Bürokratensprech lässt sich also schwerlich verbieten. Für Übertragungen im Fernsehen oder per Livestream böte sich immerhin eine Lösung an: ein Kommentator, der wie bei der britischen Thronfolgerhochzeit erklärt, was passiert – und warum „SenFin“ eben nicht die weibliche Form eines Würzmittels ist, sondern die Senatsverwaltung für Finanzen.

STEFAN ALBERTI