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Ehre, Freiheit, Vaterland

Innerhalb der Deutschen Burschenschaft streiten sich extrem Rechte und rechtskonservative Burschenschafter um die Zukunft des Dachverbands. Mitte November kulminiert der Streit in Stuttgart – in der extravaganten Atmosphäre der Sängerhalle in Untertürkheim. „Machen können wir dagegen nichts“, sagt der Sprecher des Bürgermeisters

von Anna Hunger

Ein Kultur- und Kongresszentrum zum Mit-der-Zunge-schnalzen“, steht auf der Homepage der Stadt Stuttgart. „Die Sängerhalle in Untertürkheim ist der ideale Standort für eine Veranstaltung mit Klasse und dem Schuss Extravaganz.“ Und in dieser gehobenen Atmosphäre könne jeder tagen, der halt möchte, findet die Pächterin Gisela Vögl. Ablehnen könne man da keinen, weil das sei ja so, als würde ein „Farbiger“ sich bewerben und man würde den ablehnen, nur weil er aus Afrika käme. Geht ja nicht, so was. Und Baden-Württemberg sei ja nun auch grün, und damit müsse sie sich als CDUlerin ja auch abfinden. „Das ist halt Demokratie.“

Also wird vom 22. bis zum 25. November in der Sängerhalle der außerordentliche Burschentag stattfindet, auf dem die Deutsche Burschenschaft (Farben: Schwarz-Rot-Gold; Wahlspruch: Ehre, Freiheit, Vaterland; Vaterlandsbegriff: völkisch), der Dachverband für die – nennen wir es erst mal die konservativen Burschenschaften in Deutschland, versuchen wird, einen Jahrhundertstreit beizulegen. Es geht darum, wie rechts der Verband in Zukunft sein wird.

Es streiten: Der rechte Flügel des Dachverbands, mit Verbänden an der Spitze wie der Danubia München, der Normannia zu Heidelberg und den Raczeks zu Bonn, gegen die liberalere Stuttgarter Initiative Burschenschaftliche Zukunft, die um die 30 burschenschaftliche Verbände hinter sich versammelt – auch alle rechtskonservativ, aber in diesem Falle die Guten.

Netzwerke in Politik und Wirtschaft

Schon seit Langem schwelt es im Dachverband, aber noch nie ist der Streit so offen ausgetragen worden wie in den vergangenen zwei Jahren. Ganz gegen die sonst so konspirativen Gewohnheiten der Burschenschafter, von denen der Normalmensch kaum etwas weiß, außer dass sie Stocherkahn fahren, Mützchen tragen und hübsche Häuser haben.

Die sind riesig, beste Lagen, am Österberg in Tübingen, Halbhöhenlage in Stuttgart, kleine Schlösschen, hermetisch abgeschlossen. Burschenschaftler sind die feinen Herren unter den Studenten. Sie schlagen Mensuren, die offenbar furchtlos machen, sie sind trinkfest, mit einem Hang zu Opportunismus und zur freiwilligen Unterordnung innerhalb eines hierarchischen Verbundes. Ein zentraler Punkt dabei ist der Aufbau eines Netzwerkes in Politik und Wirtschaft, möglich vor allem über die „Alten Herren“, die Ehemaligen, denn einer Burschenschaft ist man qua „Lebensbundprinzip“ für immer treu. Man kann es auch Seilschaften nennen.

Peter Ramsauer ist der Franco-Bavaria München (konservativ) verbunden, S-21-Erfinder Gerhard Heimerl ebenfalls. Hans-Peter Uhl von der CSU, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, ist ein überzeugter Burschenschafter der Arminia-Rhenania aus München (rechter Flügel). Kai Diekmann, der Bild-Chef, ist Mitglied der Münsterer Burschenschaft Franconia (rechter Flügel).

Kürzlich war Rüdiger Grube in Stuttgart bei den Hilaren (konservativ) zum Thema „Herausforderungen und Perspektiven für die Deutsche Bahn AG“ eingeladen. Ausgerechnet am 20. April, an Hitlers Geburtstag, und als ein Bursche auf der Facebook-Seite schrieb, „wat n Datum“, giftete der Administrator: „Du kannst dir vorstellen, es ist nicht sonderlich einfach Dr. Grube für einen Vortrag zu gewinnen. Und nur weil irgendein Geisteskranker zufällig an diesem Tag geboren ist, werden wir unseren Vortrag sicherlich nicht verschieben.“ Aber zurück zum Streit, der in Stuttgart irgendwie beigelegt werden soll: Rechts ist im Moment ein schwieriges Thema in der Burschenschaftsszene. Denn „Ehre, Freiheit, Vaterland“ heißt im besten Falle, sich auch den Deutschen zugehörig zu fühlen, die im Ausland leben – eben „das deutsche Kulturgut zu pflegen“. Im schlechtesten Falle heißt es Rechtsextremismus. Nach außen hin ist es in einer derart hermetisch abgeschlossenen Gemeinschaft kaum zu unterscheiden.

Auf dem Burschentag 2009 wurde ein Bursche mit Migrationshintergrund Opfer rassistischer Angriffe seiner Kameraden. Im Februar 2010 lud der rechtsgerichtete Flügel innerhalb der Deutschen Burschenschaft den kanadischen Psychologen Philippe Rushton zu einem Vortrag ein. Der findet zwar, Asiaten hätten in Sachen Gehirngröße und Intelligenz Vorsprung vor „Weißen“, „Schwarze“ allerdings seien qua Rasse sehr viel weniger intelligent.

Die liberalere, konservative Stuttgarter Initiative schrieb einen Monat später an alle: „Wir wenden uns auch an Sie, weil wir der Meinung sind, dass den erkennbaren rassistischen und extremistischen Tendenzen durch ein massives Gegengewicht, unabhängig von Kartellzugehörigkeiten, Einhalt geboten werden muss.“

2010 fiel die Ghibellinia in Saarbrücken (eigentlich Mitglied der konservativen Initiative burschenschaftliche Zukunft) besonders auf. In einem Protokoll schrieb sie – meinungsstark, aber rechtschreibschwach – von einem „kleinen Progrom“ (sic!), es sollten „zur Feier des Tages vier Neger gelyncht“ werden. Unter „Veranstaltungen für das nächste Semester“ boten sie eine „Aktivenfahrt nach Namibia zur Negerjagd“ an. Später behaupteten die Verfasser, es sei ein internes Satireschreiben gewesen. Rolf Schlierer, Bundesvorsitzender der Republikaner, und Reinhard Günzel, früherer Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, wegen antisemitischer Äußerungen aus dem Dienst entlassen wurde, wurden zu Vorträgen eingeladen. Selbst Oskar Lafontaine und Rainer Brüderle waren schon da, und Saar-Uni-Präsident Volker Linneweber sieht in der Burschenschaft sogar die „Vorreiter der künftigen akademischen Ausbildung“.

Müssen deutsche Burschen deutsche Eltern haben?

In der Verbandszeitung Burschenschaftliche Blätter schrieb der sächsische NPD-Abgeordnete Arne Schimmer, Mitglied der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen (rechter Flügel), mit Blick auf den Nationalsozialismus, er fordere ein „Ende der sogenannten Vergangenheitsbewältigung“.

Ganz ungewöhnlich ist es nicht, dass sich etablierte Politiker in Burschenschaftshäusern sehen lassen. 2006 referiert sogar Winfried Kretschmann bei der Straßburger Burschenschaft Arminia in Tübingen (liberal), die auch Mitglied der Deutschen Burschenschaft ist. Das Thema: „Kehrt die Gesellschaft der Politik den Rücken? Parteien-, Politik- oder Staatsverdrossenheit?“

Jedenfalls kulminierte der Streit innerhalb der Deutschen Burschenschaft im Versuch der Burschenschaft Raczeks zu Bonn (rechter Flügel), zum Burschentag 2011 einen Antrag auf einen „Ariernachweis“ zu stellen – so zumindest nennen ihn Kritiker. Wer in eine Mitgliedsburschenschaft des Dachverbandes aufgenommen werden möchte, muss deutsche Eltern haben. Die Bundesregierung ließ auf Anfrage der Linken, was sie denn von diesem Treiben hielte, verlauten, man halte den Dachverband für eine „demokratische Studentenorganisation“.

Außerdem forderten die Bonner, die Verbindung Hansea Mannheim (konservativ) auszuschließen, weil sie Kai Ming Au aufgenommen hatte – er hat chinesische Eltern. Kai Ming Au hatte daran gedacht, auf dem Burschentag 2012 in Eisenach für das Amt des Vorsitzenden des „Ausschusses für Jugend und Nachwuchswerbung“ der Deutschen Burschenschaft zu kandidieren. Ein alter Herr der pflichtschlagenden und extrem rechten Verbindung Danubia München, zeitweilig vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, schrieb daraufhin in einem Artikel: Könne die Deutsche Burschenschaft „glaubwürdig gegen Umvolkung und Überfremdung auftreten, wenn sie allen Ausländern freien Eintritt einräumt“? Und: „Siegt der Chinese, dann heißt seine Zielgruppe: Au wie Ausländer.“

Die konservativen Bünde drohen mit Austritt

Auf diesem Burschentag im Juni 2012 kam es dann zum Eklat. Norbert Weidner wurde als Schriftleiter der Verbandszeitung Burschenschaftliche Blätter bestätigt. Streitpunkt: Er hatte geschrieben, der NS-Widerstandskämpfer und Theologe Dietrich Bonhoeffer könne als „Landesverräter“ bezeichnet werden und dessen Hinrichtung sei „rein juristisch“ gerechtfertigt gewesen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Später warfen die Raczeks zu Bonn ihren Kameraden Christian Becker raus, weil er die Initiative „Burschenschafter gegen Neonazis“ gegründet hatte. Zuvorstand er vor Gericht, weil er über Norbert Weidner gebloggt hatte. Weidner verklagte ihn, Becker bekam recht. Nun darf er in seinem Blog gegen „Braunbuxen“ offiziell behaupten, Weidner sei „höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaftern, NPD und Kameradschaften besteht“, und strebe die Gründung einer „rechtsextremen Studentenpartei“ an.

Der Pressereferent der Deutschen Burschenschaft und Mitbegründer der Initiative burschenschaftliche Zukunft, Michael Schmidt, schmiss hin, der Großteil der Verbindungsszene Deutschlands distanzierte sich von der Deutschen Burschenschaft, zu den Vorstandwahlen traten keine Verbände aus dem konservativen Spektrum mehr an. Seitdem taumelt die Deutsche Burschenschaft ohne Vorstand dahin. Das Image: im Eimer. Und weil das so ist, haben die Burschen den außerordentlichen Burschentag in Stuttgart einberufen. Für den Fall, dass der Richtungsstreit nicht in die weniger rechte Richtung beigelegt werden kann, drohen die liberaleren Bünde mit Austritt. Das wäre das Aus für den über 200 Jahre alten Dachverband, zumindest das Ende der Bemühungen, gegen die rechtsextremen Tendenzen vorzugehen.

Zurück zum Ausgangspunkt: Ausgetragen wird das Ganze in der Stuttgarter Sängerhalle in Untertürkheim. „Ob es sich um ein Treffen auch von ,Rechtsextremen` handelt, können wir nicht beurteilen“, schreibt Markus Vogt, Sprecher von OB Wolfgang Schuster, auf Anfrage der Kontext:Wochenzeitung. „So weit uns bekannt ist, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Dachverbands der Deutschen Burschenschaft vor.“

Tom Adler, Stadtrat der Linken, bereitet gerade einen Schriftsatz vor, um beim Gemeinderat anzufragen, ob man nichts gegen das Treffen der Rechten in Stuttgart zu tun gedenke. Offenbar nicht. Markus Vogt, Sprecher von Verbindungsbruder OB-Schuster: „Die Veranstaltung findet … in einer Halle statt, die privat vermietet und privat bewirtschaftet wird. Wir haben keine Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, wer hier an wen vermietet.“

Gisela Vögl, die Pächterin der Sängerhalle, findet, jeder könne die Sängerhalle mieten, der dafür bezahlt. Als die NPD bei ihr in der Halle getagt habe, wäre das ein hübsches Fest gewesen. Die Polizei habe zwar das Haus umstellt, passiert sei aber nichts. Die NPD sei ganz nett gewesen, sehr schöne Veranstaltung, sagt sie, fast so schön wie die von Scientology vor ein paar Jahren. Gisela Vögl sitzt übrigens für die CDU im Bezirksbeirat in Wangen, im Vorstand der Seniorenunion, im Vorstand der Frauenunion und sei generell eine patente und tolle Frau, sagen Parteikollegen.

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