Junge Koranschüler am Senegal-Fluss in St. Louis, Senegal Foto: Mario Cruz/World Press Photo Award/dpa

In der Transitzone

Mali ist eine zentrale Dreh­scheibe moderner Migrations­bewegungen. Wie reagieren das Land und die EU auf die zunehmende Auswanderung?

von Ramata Tembely

Die Europäische Union (EU) und Mali kämpfen Hand in Hand gegen „die Wurzeln der irregulären Migration“, um „die Rückkehr malischer Migranten aus Europa zu begünstigen“, heißt es in dem gemeinsamen Rückführungsabkommen, das Ende 2016 unterzeichnet wurde. Sie haben sich geeinigt, die Einwanderung „gemeinsam zu verwalten“, indem sie Projekte finanzieren, die gegen die Gründe der Migration vorgehen und legale Migration fördern.

In diesem Sinne hat die EU-Kommission auf dem Gipfeltreffen zu Migrationsfragen im November 2015 in Valletta einen Treuhandfonds für Afrika eingerichtet, um Stabilität zu sichern und die tiefsitzenden Gründe der irregulären Migration und der innerhalb Afrikas umgesiedelten Menschen zu beseitigen.

Mali erhält daraus rund 145 Millionen Euro für neun Projekte, die vor Ort die Fluchtursachen stoppen sollen. Im Zuge der regionalen Stabilisierung der Sahelzone werden nach intensiven Beratungen zwischen einer EU-Delegation und der malischen Regierung einige Projekte mit der Unterstützung der schon bestehenden Zivilmission EUCAP Sahel Mali und der europäischen Militärtrainingsmission EUTM in Mali umgesetzt.

Auf nationaler Ebene hat die Regierung Kampagnen gestartet, um die Bevölkerung zu sensibilisieren und sie von der Auswanderung abzuhalten. Radiosender auf dem Land tragen ebenfalls dazu bei. Komiker spielen Sketche über die Konsequenzen der Migration in den Regionen, in denen sich viele Migranten aufhalten.

Als Land im Herzen Westafrikas ist Mali heute eine zentrale Drehscheibe zwischen dem Afrika südlich der Sahara und Nordafrika. Es ist ein Zentrum moderner Migrationsbewegungen, deren hauptsächliche Gründe fehlende Entwicklung, demografischer Druck, Umweltzerstörung durch den Klimawandel und die aktuelle politische Sicherheitskrise von 2012 und 2013 sind. Zu diesen Hauptgründen kommt die ungleiche geografische Verteilung, wenn es um sozioökonomische Möglichkeiten, Verwaltungsprobleme, fehlenden Respekt vor Menschenrechten und kulturelle Faktoren geht.

Etwa 3,5 Millionen der 4 Millionen Menschen umfassenden malischen Diaspora leben in West- und Zentralafrika. 500.000 sind im Rest der Welt verteilt, davon 200.000 in Europa, wovon knapp 100.000 in Frankreich leben. Diese Statistik ist längst nicht vollständig, wenn man die hohe Zahl an Auswanderungen betrachtet.

Die Migrationsbewegungen zeigen momentan sehr beunruhigende Tendenzen. Immer mehr junge Menschen sind bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um auszuwandern. Es gibt einen offensichtlichen Mangel bei der Identifikation und der Verfolgung von Schleppern. Die Instabilität wächst in einigen Ländern der Sahelregion, wo es kaum Möglichkeiten der Integration und des wirtschaftlichen Wachstums in den Ausreisezonen gibt. Es hat kein sinkendes Boot im Mittelmeer gegeben, bei dem nicht einige Malier in die Falle zwischen dem Elend des schlechten Lebens im eigenen Land und dem Trugbild des Eldorados auf der anderen Seite getappt wären. Mindestens 196 Malier sind 2015 im Mittelmeer gestorben. Andere Ertrunkene wurden nicht einmal geborgen, geschweige denn identifiziert. Die Regierungen machen nicht viel Aufhebens um die Toten, die auf den Migrationsrouten und besonders im Mittelmeer gezählt werden. Obwohl eine Aufklärung über die Ertrunkenen den Vorteil hätte, abschreckend zu sein.

Zugleich benötigen einige Industrieländer Einwanderer, um die Überalterung und den Mangel an Arbeitskräften in manchen Branchen zu kompensieren. Diese Länder brauchen Personal in sehr spezialisierten Berufszweigen wie der IT-Branche und dem Gesundheitswesen sowie Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, der Industrie und beim Bau. Die Regierungen dieser Länder schließen die Augen vor irregulären Einwanderern. Eine gut geregelte Einwanderung könnte die menschliche Tragödie verkleinern und würde dem europäischen Partner in Zusammenarbeit mit den Ausreiseländern erlauben, eine begrenzte Anzahl an Migranten zu empfangen.

Ramata Tembely, 39, arbeitet bei der TageszeitungL’Indépen­dent“ in Bamako, Mali.