Ein Mann geht in die Offensive

VORWAHLKAMPF Der SPD-Spitzenkandidat entdeckt die soziale Frage und die Frauen: „Empfinden Sie das als etwas Besonderes?“

BERLIN taz | Bei der sehr munteren Debatte am Freitag im Bundestag zeigte der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, dass er jetzt auch bei Sozialthemen den politische Gegner attackieren kann. In seiner Rede attestierte er der FDP ein „Höchstmaß an Selbstverleugnung“ und nannte das Betreuungsgeld „schwachsinnig“.

Aus seinen „Gesprächen mit alleinerziehenden Frauen und Erzieherinnen“ wisse er, dass durch diese Maßnahme „weniger Frauen eine eigene Berufsbiografie schreiben, weniger Kinder Chancen auf frühe Bildungsförderung haben werden“, sagte Steinbrück als Hauptredner seiner Fraktion. Die Zwischenrufe von FDP und Union zum „Frauenversteher“ Steinbrück konterte er mit der Frage: „Empfinden Sie das als etwas Besonderes?“

Letztlich passierte das Gesetz den Bundestag mit 310 Ja-Stimmen, 282 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. 1,2 Milliarden Euro soll das Betreuungsgeld kosten; über zusätzliches Bildungssparen wurde am Freitag noch nicht abgestimmt. Steinbrück sagte, die SPD werde das Betreuungsgeld bei einem Wahlsieg als eine der ersten Maßnahmen wieder abschaffen.

Das hatte er tags zuvor schon einmal angekündigt. Beim Roten Frauensalon der SPD-Frauen am Donnerstagabend äußerte er sich – als einziger männlicher Podiumsgast – zu frauenpolitischen Fragen. Beim Thema Quote etwa, sagte er, habe er „eine Lernkurve“ hinter sich. Eine gesetzliche Regelung sei nötig. Außerdem sprach er sich klar für die Lohnangleichung für Männer und Frauen aus.

Thema Nebeneinkünfte

Gastgeberin Andrea Nahles hatte zu Beginn des Abends noch einmal auf die Rolle der weiblichen Wählerschaft verwiesen: Bei der US-Wahl hätten 55 Prozent der Frauen für Barack Obama gestimmt und ihm so zum Sieg verholfen. „Es waren die Frauen!“, sagte Nahles, sowohl als Aufmunterung als auch Aufforderung an Steinbrück. Am Rande der Veranstaltung kündigte der designierte Kanzlerkandidat an, sein Kompetenzteam werde „nahezu paritätisch besetzt sein“. Er reagierte damit auf Kritik von SPD-Frauen, die bemängelt hatten, dass Steinbrück als erste Personalentscheidung drei Männer in sein Beraterteam geholt hatte.

Die Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus hatte leicht verspätet begonnen, weil Steinbrück noch die Bundestagsabstimmung über die Offenlegung von Nebeneinkünften abgewartet hatte. Der Antrag von SPD und Grünen, wonach Parlamentarier diese „auf Heller und Cent“ offenlegen sollten, war von Union und FDP abgelehnt worden. Trotzdem ist es Steinbrück, der weiterhin unter Druck steht – obwohl er seine Honorare für Vorträge in Höhe von über 1,25 Millionen Euro offengelegt hat. Die Debatte über die Nebeneinkünfte bereitet dem Wunschkoalitionspartener der SPD Sorgen: Schon fragen erste Grüne öffentlich, ob ein Sieg mit einem Kandidaten Steinbrück möglich sei. Fraktionsvize Ekin Deligöz sagte der Süddeutschen Zeitung, die SPD müsse ihre Strategie ändern, „die ja in vergangenen Wahlkämpfen immer darin bestand, vor allem auf eine Person zu setzen“. Und Sina Doughan, Sprecherin der Grünen Jugend, meinte, es sei schwierig, einen Wahlkampf zum Thema soziale Gerechtigkeit zu bestreiten, „wenn Peer Steinbrück sich die ganze Zeit bereichert und Geld in die eigene Tasche schiebt“.

ANJA MAIER