Alle sollen wählen können

Ohne kommunales Ausländerwahlrecht ist echte Integration von Migranten unmöglich, stellen Kommunalvertreter auf einer Konferenz in Köln fest. Integrationsräte seien nur ein erster Schritt

VON SUSANNE GANNOTT

Das kommunale Wahlrecht für alle Migranten muss her: So lautete eine der zentralen Forderungen auf der gestrigen Veranstaltung „Integration durch politische Partizipation in NRW“ in Köln. „Eigentlich müssten wir den letzten Schritt machen hin zum kommunalen Ausländerwahlrecht“, sagte der Herner Oberbürgermeister Horst Schiereck (SPD). Auch Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen NRW (LAGA), bezeichnete dies als „wichtiges Signal“. Ohne ein solches Wahlrecht blieben alle Forderungen nach Integration der Migranten in die Mehrheitsgesellschaft halbherzige Lippenbekenntnisse.

Der Städtetag NRW, die LAGA und die Landeszentrale für politische Bildung hatten zu der Konferenz als Auftakt einer Veranstaltungsreihe eingeladen, auf der sich Ratsmitglieder und Migrantenvertreter über ihre Erfahrungen bei der kommunalen Integrationsarbeit austauschen sollen. In der aktuellen kommunalen Wahlperiode erproben 60 Städte und Gemeinden in NRW Formen der politischen Beteiligung in Integrationsräten und Ausländerbeiräten.

In der Tat hätten sich die Möglichkeiten der politischen Partizipation durch die Integrationsräte „deutlich verbessert“, beschrieb Schiereck seine Erfahrungen in Herne. Die Migrantenvertreter würden stärker in die politische Ratsarbeit einbezogen, könnten in allen Fragen, die Migranten betreffen, beraten und Stellungnahmen abgeben. Allerdings müsse er „vor übertriebenen Erwartungen warnen“, schränkte er ein. Vielen Migrantenvertretern fehle es noch an politischer Erfahrung, um wirklich Einfluss auf Entscheidungsprozesse zu nehmen. Und: Die Kompetenzen der Integrationsräte seien insgesamt zu gering, um die Integration – „eine der wichtigsten sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen“ – alleine zu bewältigen. Das kommunale Ausländerwahlrecht sei daher letztlich unverzichtbar.

Dem stimmte grundsätzlich auch Klaus Peter Strohmeier von der Ruhr-Universität Bochum zu. Allerdings wies der Stadt- und Regionalsoziologe darauf hin, dass das Problem der mangelnden politischen – wie auch ökonomischen, kulturellen und sozialen – Integration nicht nur Migranten, sondern auch Deutsche betrifft. „Das ist ein Problem aller sozial deklassierten Schichten.“ Politische Nicht-Partizipation sei genauso eine Frage der Adresse wie der Nationalität. So gebe es in Großstädten wie Essen sozial benachteiligte Stadtteile, die gleichsam zu „demokratiefreien Zonen“ würden: Nicht nur, weil dort viele Ausländer ohne Wahlrecht lebten, sondern weil auch die dort lebenden Deutschen zum allergrößten Teil gar nicht wählen gingen. Sozial deklassierte Menschen müssten zunächst einmal „direkt bei ihren Bedürfnissen abgeholt werden“, etwa mit „Selbstmacherprojekten“ zur Verschönerung des Wohnumfelds. „Die Forderung nach politischer Partizipation überfordert diese Adressaten in ihrer Lebenslage.“