„Man muss sich demütigst anstellen, um einen Panda zu bekommen“

Das bleibt von der Woche Die CDU lässt die Basis zu Tegel abstimmen, der Untersuchungsausschuss zum Fall Amri nimmt seine Arbeit auf, die Pandabären machen halb Berlin verrückt, und Imamin Seyran Ateş bekommt demonstrativ Besuch von Grünen-Chef Cem Özdemir

Die Basis dient bloß als Deckmantel

CDU-Entscheid über Tegel

Basisbeteiligung ist nur etwas wert, wenn die Basis sie einfordern kann

Die CDU-Basis hat über die künftige Flughafenpolitik der Partei entscheiden können. 83 Prozent, so gab ihr Vorstand am Montag bekannt, sind für den Weiterbetrieb von Tegel. Die gut 12.000 Christdemokraten waren es auch, die 2015 bestimmen konnten, wie sich die CDU im Senat verhalten sollte, als es darum ging, die Berliner Position im Bundesrat zur Homo-Ehe festzulegen. Rund 16.000 SPD-Genossen wiederum konnten über Kernpunkte des Wahlprogramms 2016 abstimmen.

Das klingt erst mal gut. Doch wer bestimmt, wann die Basis zu befragen ist? Schließlich liegt der Gedanke nahe, dass die jüngste Abstimmung (die über Tegel) nur dazu diente, einen wenig sachlich, aber stark strategisch motivierten Schwenk der CDU-Spitze zu legitimieren. Die wusste dem Vernehmen nach schon lange, dass ihre Mitglieder tendenziell stark an Tegel hängen und Frust über die wiederholte Verzögerung der BER-Eröffnung schieben – und brauchte deshalb die Befragung nur anzusetzen, um sich das Go abzuholen. Das ist eine Instrumentalisierung der Mitglieder.

Um diese Instrumentalisierung künftig zu verhindern, müsste der Prozess in Parteien ablaufen wie bei Volksbegehren: nicht nach politischem Kalkül und von oben verordnet, sondern über eine Mindestzahl von Parteimitgliedern, die eine Abstimmung fordern müssen – und auch dann Anspruch darauf haben.

Wenn es der CDU-Führung um pure Wiedergabe von Basiswillen gegangen wäre, hätte sie die Tegel-Befragung nämlich schon vor Jahren ansetzen müssen. Da aber war eine Offenhaltung nicht angesagt. Basisbeteiligung ist nur etwas wert, wenn die Basis sie einfordern kann. Solange sie vom Willen der Parteiführung abhängt, ist sie nicht mehr als ein strategisches In­stru­ment. Und als solches nicht groß als Neuerung zu loben.

Stefan Alberti

Das lange Zögern ist vorbei

Ausschusszum Fall Amri

Der Ausschuss pro­fitiert von der Vor­arbeit des Sonder­ermittlers des Senats

Es hat tatsächlich mehr als sechs Monate gedauert, bis auch das Berliner Landesparlament einen Untersuchungsausschuss zum Anschlag am Breitscheidplatz eingesetzt hat. Am Donnerstagabend beschloss das Abgeordnetenhaus den fraktionsübergreifenden Antrag ohne Debatte. Kommende Woche nimmt der Ausschuss seine Arbeit auf.

Dass sich die Fraktionen so lange geziert haben, den bislang schwersten islamistischen Anschlag in Deutschland selbst zu untersuchen – während Nordrhein-Westfalen schnell einen solchen Sonderausschuss einsetzte –, hat mehrere Gründe. Die meisten sind parteipolitischer Natur.

Die CDU, die gemeinsam mit FDP und AfD einen solchen Ausschuss hätte durchsetzen können, hielt sich zurück, weil die Überwachung des als Gefährder lange bekannten späteren Attentäters Anis Amri in die Verantwortung des damaligen CDU-Innensenators Frank Henkel fällt. Henkel war bis zum 8. Dezember im Amt, der Anschlag passierte am 19. Dezember.

Die Regierungsfraktionen wiederum wollten verhindern, dass die AfD den Ausschussvorsitz bekommt, wie ihr das laut den Regeln des Parlaments zugestanden hätte. Die Rechtsaußenpartei musste vorher erst einen Chefposten eines Unterausschusses zugeschustert bekommen, sodass jetzt die CDU am Zuge ist. Ihr Abgeordneter Burkard Dregger wird den Ausschuss leiten.

Er und die elf weiteren Abgeordneten profitieren von der Vorarbeit des im April vom Senat eingesetzten Sonderermittlers Bruno Jost. Dieser war auf bei der Polizei nachträglich manipulierte Akten gestoßen; die Beweislage hätte ausgereicht, Amri wegen Drogenhandels festzunehmen. Jost betont jedoch auch, dass er „keine Hinweise auf flächendeckendes Fehlverhalten der Polizei“ habe.

Klar ist indes: Bei der Überwachung Amris, der als Asylbewerber unter wechselnden Identitäten lange in Deutschland gelebt hat, sind Fehler passiert. Es ist Aufgabe des Untersuchungsausschusses, deren Schwere einzuordnen und Vorschläge zu machen, wie solche Fehler künftig vermieden werden könnten. Keine leichte Aufgabe insbesondere für den Ausschusschef von der CDU, die sich so gerne als Freund und Helfer der Polizei präsentiert und der gleichzeitig die Sicherheit der Bürger angeblich so sehr am Herzen liegt. Bert Schulz

Das Brimborium hat Gründe

Hype um Pandas

Die Pandabären verkörpern das Land, das China so gern wäre

Viele werden sie einigermaßen überhaben, die kugelrunden, schwarz-weißen Mistviecher, die nach vierjähriger Verhandlung vor gut zehn Tagen endlich aus China nach Berlin ausreisen durften. In dieser Woche wurden sie mit viel Brimborium, inklusive Aperol Spritz und Kanzlerin der Öffentlichkeit präsentiert. Da kommen zwei Pandas in den Zoo, und schon steht die ganze Stadt kopf, so die allgemeine Rede.

Besonders wurde in diesem Zusammenhang gern argumentiert, was für eine Unverschämtheit es doch sei, wie sehr die Chinesen die Bedingungen diktieren, unter denen sich Berlin ihre Pandas borgen darf. Eine Million Euro kosten den Zoo Meng Meng und Jiao Qing.

Dass am vergangenen Mittwoch so viele hohe Tiere zu­gegen waren, lag vor allem daran, dass die Chinesen bei der Übergabe die höchste protokollarische Ebene erwarten. Anders als in den 1980ern verschenkt China seine Pandas nicht mehr, sondern sie werden wenigen Ländern gegönnt. Man muss sich demütigst anstellen, um einen zu bekommen.

Das passt vielen nicht, die China vor allem als das Land wahrnehmen, das Natur zerstört und auf Durchzug schaltet, wenn es um die Grundrechte geht. Das ist nachvollziehbar, aber man muss auch die andere Seite verstehen. China wird in Deutschland noch immer ähnlich wahrgenommen wie zu Kolonialzeiten. „Die Chinesen“ werden als diffuse Masse gesehen, als „Gelbe Gefahr“. Insofern ist es vielleicht auch verständlich, dass China ausgerechnet die Pandas zum Nationalheiligtum erklärt hat. Sie verkörpern das Land, das China gern wäre.

Der Panda ist ein Unikat, er lässt sich nur schwer reproduzieren. Daher ist er das Gegenteil dessen, was wir Westeuropäer mit dem Label „Made in China“ assoziieren. Außerdem ist der Panda faul und wählerisch, also das Gegenteil dessen, was wir „den Chinesen“ unterschieben: Fleiß und Genügsamkeit. Und schließlich ist der Panda das Wappentier für Natur- und Artenschutz.

Wir werfen „den Chinesen“ oft vor, dass ihnen Autos wichtiger sind als frische Luft. Nicht, dass dies nicht stimmen würde. Aber man muss sich weder mit chinesischer Landschaftsmalerei noch mit chinesischer Kochkunst auskennen, um zu ahnen: „Den Chinesen“ ist die Natur so lieb wie uns. Es fällt nur manchmal nicht leicht, in einer Gesellschaft Natur und Fortschritt unter den Hut zu bekommen, die sich noch sehr gut an eine der schwersten Hungersnöte seit Menschengedenken erinnern kann, die von 1958 bis 1961 bis zu 45 Millionen Menschen das Leben kostete. Susanne Messmer

Ein Problem mit der Gewalt

Hass gegen Imamin

Dass sich Funktio­näre und Imame vor Ateş stellen, ist leider kaum vorstellbar

Der Islam habe ein Gewaltproblem, heißt es oft. Auch jetzt wieder, da die Anwältin, Autorin und nun auch Imamin Seyran Ateş wegen der Gründung einer inklusiven Moschee in den sozialen Netzwerken beschimpft wird, Hassmails und sogar Morddrohungen erhält. Deshalb stattete am Dienstag Grünen-Chef Cem Özdemir der Moschee demonstrativ einen Besuch ab.

Erst einmal ist festzuhalten: Religionen haben ein Rationalitätsproblem. Wer wider jegliche Evidenz von der Existenz unsichtbarer Wesen überzeugt ist, die unser Schicksal bestimmen, uns nach dem Tod für Wohlverhalten belohnen oder aber grausam bestrafen, die Details unserer Ernährung und unseres Reproduktionsverhaltens festlegen, dem ist argumentativ kaum beizukommen.

Deshalb ist es ja so schwierig, Fundamentalisten innerhalb eines solchen Denksystems zu begegnen. Im oft wirren Konglomerat unwiderlegbarer Überzeugungen, die ihnen die Religion zur Verfügung stellt, finden sie ihre Handlungsanleitungen meist recht mühelos. Mit welcher Vernunft im Rücken wollte man dagegenhalten? Das unsichtbare Wesen schweigt ja.

Wenn Ateş und ihre Mitstreiter nun versuchen, den Islam als genderneutral, queeraffin und diskursoffen zu interpretieren, begeben sie sich hart an den Rand dessen, was die mittelalterlichen Schriften so hergeben, auf die sie sich ja auch berufen. Aber abgesehen davon, dass es sich um eine progressive, menschenfreundliche Herangehensweise handelt: Das ist vollkommen legitim. Jeder darf Literatur interpretieren, wie er will, und wenn die Lesart mit der gesamtgesellschaftlichen Willensbildung harmoniert, umso besser.

Das sehen leider eine ganze Menge Muslime anders, gerade die Funktionsträger der reli­giö­sen Verbände, von denen sich einige inzwischen wenigstens zur Verurteilung der Hassbotschaften an Ateş durchgerungen haben. Die Aussage, dass die Imamin selbstverständlich ein Recht auf ihren eigenen Islam habe, käme ihnen jedoch nie über die Lippen.

Das ist in Religionsgemeinschaften wohl normal (vom nach allen Seiten offenen deutschen Mainstream-Protestantismus mal abgesehen). Aber hier geht es um massive Anfeindungen von den Rändern her, und die entfalten sich in einem allgemeinen Milieu der Ablehnung und des Schweigens ganz hervorragend. Das ist gerade das islamische Gewaltproblem.

Dass sich Verbandsfunktionäre und Imame vor Ateş stellen oder ihrem Gebetsraum Solidaritätsbesuche abstatten, ist leider kaum vorstellbar. Die Politik aber, die Berlin gerne als entspannte Hauptstadt der Vielfalt preist, sollte sich selbst ruhig einmal ernst nehmen. Der rot-rot-grüne Senat zu Gast in der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, das wäre ein angemessenes Zeichen. Claudius Prößer