Gedämpfte Euphorie

Laut einer Studie des Bremer Instituts für Arbeit und Wirtschaft geht die Zahl der Beschäftigten im Schiffsbau trotz des Booms zurück. IG Metall Küste fordert Dialog

In der deutschen Werftindustrie boomt es zurzeit, und sie blickt wieder auf eine gesicherte Zukunft – wenngleich sich dies nicht in den Beschäftigtenzahlen widerspiegelt. So lautet das Fazit einer Studie des Bremer „Instituts für Arbeit und Wirtschaft“ (IAW) für die Werftstandorte an der Nord- und Ostseeküste im Auftrag der IG Metall Küste, die gestern in Hamburg vorgestellt wurde.

„Es geht jetzt darum, die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen und sie umzusetzen – Innovation, Forschung und Entwicklung gehören an die Tagesordnung jeder Werft,“ fordert IG Metall-Küste-Chefin Jutta Blankau. „Die Unternehmen sind jetzt gefordert, durch eine offensive Personalpolitik, gezielte Nachwuchsförderung und eine innovative Produkt- und Prozessgestaltung die Sicherung der Werften und ihrer Beschäftigten für die Zukunft voranzubringen.“

40 Werften-Betriebsräte in den fünf norddeutschen Bundesländern hat das Institut für seine Studie befragt und war selbst überrascht. „Der Schiffbau befindet in einer Boom-Phase“, sagt der IAW-Chef, Rudolf Hickel. „Enttäuschend ist jedoch, dass die Zahl der Beschäftigten zurückgeht.“ Während einerseits eigentlich 29.000 Leute direkt im maritimen Schiffbau beschäftigt seien, hätten nur 19.000 Männer und Frauen einen festen Job in den Hallen und Docks der Werften. Der Rest wird von Fremd- und Leiharbeitsfirmen rekrutiert.

Doch es seien auch andere Tendenzen zu beobachten. Die Werften, die sich von der Jammer-Lethargie der 90-er Jahre verabschiedet hätten, würden mittlerweile auf dem Markt sehr gut dastehen. „Es gibt Betriebe wie die Meyer-Werft in Papenburg, FSG in Flensburg oder die Lindenau Werft in Rendsburg, die begonnen haben, wieder einzusourcen, weil ihnen Ingenieure und Facharbeiter fehlen“, berichtet Blankau.

Auch müsse der „industriepolitische Dialog“ unter der Führung eines von der Bundesregierung eingesetzten „maritimen Koordinators“ weitergeführt werden. Selbst wenn sich die norddeutsche maritime Wirtschaft durch hohe Exportorientierung nach Asien auszeichne, müsste im Interesse der nationalen Werften und zur Sicherung deutscher Nachfrage Know How im Land gehalten werden. „Dazu bedarf es eines nationalen maritimen funktionierenden Clusters – Antriebe und elektronisches Equipment sind dabei Kernkomponenten zum Erhalt der Systemfähigkeit“, so Hickel im Hinblick auf den derzeitigen Verkaufspoker um den maritimen Zulieferer Atlas-Elektronik.

Hickel warnt aber davor, im Container-Schiffbau in eine Tanker-Boom Euphorie der 70er Jahre zu verfallen. Im Groß-Containerschiffbau seien die deutschen Werften aufgrund der „unfairen Subventionspraktiken“ der Südkoreaner nicht konkurrenzfähig. „Wir müssen aufhören, dass wir wieder zu Überkapazitäten kommen. Das wäre gefährlich“, sagt Hickel. Die Zukunft für die deutschen maritimen Betriebe liege in der Spezialisierung. Die in Asien gebauten subventionierten Großcontainer mit 15 Meter Tiefgang könnten nur wenige Häfen in Europa anlaufen – hier liege die Chance für die nationalen modernen Feeder-Container mit bis zu 7.000 Teu. Blankau: „Es gibt aber noch zu wenig Werften, die sich auf diesen Weg machen.“

Kai von Appen