Deutschkurse statt Multikulti

Senat baut Integrationszentren um: Künftig sollen Begegnungsstätten hauptsächlich Spracherwerb fördern. Sozialberatung für Migranten wird den Regeldiensten überantwortet. Die Ämter aber, so warnt die GAL, überfordert der spezielle Hilfebedarf

von Eva Weikert

Die Hamburger Integrationszentren für Migranten sind in großer Sorge um ihr Beratungsangebot. Die Sozialbehörde hat die Begegnungsstätten angewiesen, ihr Aufgabenspektrum zu verändern. Nach der neuen Struktur wird die Sozialberatung in den Zentren abgebaut. Statt selbst zu helfen, sind die Mitarbeiter angewiesen, zuvörderst an die Regeldienste zu verweisen sowie schwerpunktmäßig zu Deutschkursen zu beraten. Zugleich dürfen sie nur noch Bleibeberechtigten beistehen, die seit langem hier leben. Die GAL-Abgeordnete Nebahat Güclü, die selbst die Interkulturelle Begegnungsstätte (IKB) in St. Pauli leitet, kritisiert: „Diese Vorgaben gehen an der Realität gänzlich vorbei.“

Kernaufgabe der stadtweit 14 Integrationszentren war bisher, bei Fragen zu staatlicher Grundsicherung, Aufenthaltsrecht, Schul- und Gesundheitssystem und Arbeitsmöglichkeiten zu beraten sowie speziell in der Familie bedrohten Frauen Hilfe zu bieten. Die Behörde von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) begründet die Umstrukturierung, die seit dem 1. September umgesetzt wird, mit dem Zuwanderungsgesetz. Die Bundesnovelle zielt unter anderem darauf ab, durch Deutschkurse Neuzuwanderer besser zu intergrieren (siehe Kasten).

Der Hamburger CDU-Senat will auch länger hier lebende Migranten fördern und hat für Unterricht dieser Gruppe 610.000 Euro bis Ende 2006 abgestellt. Die Integrationszentren sollen die Kurse verwalten sowie die Teilnehmer einstufen und beratend begleiten. Sozialberatung werde im Gegenzug nur noch „bedingt“ angeboten, so Behördensprecherin Katja Havemeister, „wenn Ressourcen da sind“.

Die ergänzende Sprachförderung sei „durchaus positiv“, lobt IKB-Chefin Güclü. Massiv zu kritisieren aber sei, dass die Integrationszentren ihr Kernangebot kürzen müssen, da sie ohne zusätzliche Mittel die neue Aufgabe leisten sollen. Auch sei es „fachlich problematisch“, Sozialpädagogen die Einstufung in die Sprachkurse zu überlassen: „Das haben sie nie gelernt.“

Ursprünglich wollte die Behörde die Sozialberatung in den Zentren ganz abschaffen. Die Träger Arbeiterwohlfahrt, IKB, Verikom und die Bürgerinitiative Ausländische Arbeiternehmer protestierten und warnten in einem offenen Brief, „sollte das Angebot entfallen, gäbe es in Hamburg dafür keinen Ersatz“.

Aufgrund der Kritik ruderte die Behörde ein Stück zurück und erlaubt jetzt jährlich zehn Stunden „Fallmanagement“ pro Besucher. Wegen der zeitlichen Limitierung, vor allem aber, weil Hilfe bei Häuslicher Gewalt, Gesundheits- und psychosoziale Beratung gar nicht mehr vorgesehen ist, sieht Güclü den „ganzheitlichen Ansatz“ der Beratung verloren und wirft dem Senat vor, „Integration auf die Vermittlung von Sprache zu reduzieren“. Auch die Order, nur noch Bleibeberechtigten zu helfen, die mehr als drei Jahre hier leben, sei „kontraproduktiv“. Dass Ratsuchende nun zunächst ihren Pass vorlegen müssten, „schüchtert ein“.

Die Behörde hält der Kritik entgegen, die städtischen Regeldienste wie Jugendämter oder Ausländerbehörde sollten die Beratung mitübernehmen. Entsprechend hat sie die Begegnungsstätten angewiesen, künftig „Verweisberatung in Lotsenfunktion“ zu machen – sprich: die Betroffenen weiter zu leiten.

Um helfen zu können, fehle es den Mitarbeitern der Regeldienste an interkultureller Kompetenz und Sprachkenntnissen, warnt indes Güclü von der IKB, wo bei 3,5 Stellen zwölf Sprachen gesprochen werden: „Mindestens die Hälfte unseres Klientels wurde deswegen ja von den Regeldiensten hierher geschickt.“