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Berliner SzenenAbzocke wie auf RTL II

Schlüsseldienst-TV

„Nee, ist mir zu viel, da schlaf ich lieber im Hotel“

Nur mal schnell ein Gute-Nacht-Bier im Späti besorgen. Raus aus der Wohnung, die Türe fällt zu. Ausgesperrt und kein Ersatzschlüssel zur Hand – der Klassiker! Der Scheckkartentrick funktioniert auch nicht. Anruf beim Schlüsseldienst: Was kostet der Spaß? 100 Euro, plus 20 Euro An- und Abfahrt. Okay.

Ein junger, nicht unfreundlicher Typ kommt vorbei mit seinem riesigen Werkzeugkoffer. Die Show beginnt. Die Tür zu öffnen koste 180 Euro plus 100 Prozent Nachtzuschlag, also 360 Euro, heißt es nun. Moment mal, am Telefon war von einem ganz anderen Betrag die Rede. Und schon ist genau das passiert, vor dem einen immer alle warnen: Man steckt in der Falle der Abzocker von der Schlüsseldienstbranche.

Zig Fernsehsender haben bereits mit versteckter Kamera festgehalten, wie arme Tröpfe vor ihren Wohnungstüren nach Strich und Faden ausgenommen werden. Jetzt erlebe ich das tatsächlich alles mal live und ich muss sagen: Es ist wirklich genau so wie im Fernsehen. Der Schlüsseldienstmann sagt nun, er rufe mal seinen Chef an, ganz so, als ob der um kurz vor Mitternacht gerade auf solche Anrufe warten würde. „Hallo, Chef, was soll ich machen? Der Kunde ist ein armer Student, hat nicht viel Geld.“ Student also. Ich soll wohl denken, für mich wird hier alles getan, sogar der Chef belogen. 180 Euro, so lautet das angebliche Angebot vom Chef. „Nee, ist mir zu viel, da schlaf ich lieber im Hotel“, sage ich. Dann gehe er wieder, „das kostet dann aber auch 100 Euro.“

Okay, dann machen Sie bitte einfach die Tür auf! In 20 Sekunden ist die Sache erledigt. Gezahlt werden muss bar. Natürlich. „Das ist ja wie bei RTL II“, sage ich. Der Schlüsseldienstmann weiß genau, wovon ich rede, und meint nur: „Bei RTL habe ich Schlüsseldienste gesehen, bei denen wären Sie noch viel schlechter dran gewesen.“

Andreas Hartmann

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