der hühnerhund von EUGEN EGNER
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Als ich 18 war, kauften sich meine Eltern einen Hund, der das Haus bewachen sollte. Ich fand, dazu sei er viel zu klein, doch sie wiesen den Einwand zurück: „Für kleine Einbrecher reicht der allemal. Für räuberische Zwerge zum Beispiel!“ Der Hund bellte ausgiebig, hauptsächlich morgens, vormittags, mittags, nachmittags, abends und nachts. Ich fragte mich, woran wir gegebenenfalls Einbrecher-Alarm erkennen sollten.

Meine Eltern hatten den Hund zwar angeschafft, aber ausführen musste ich ihn. Dabei sah ich, dass gegenüber neue Nachbarn einzogen, die eine mir wohlgefällige Tochter in meinem Alter hatten. Bei der ersten Gelegenheit sprach ich sie an. Offenbar machte ich aber weniger Eindruck auf sie als der kleine Hund. „Der ist bestimmt ideal, um räuberische Zwerge abzuschrecken“, meinte sie. Ich schenkte ihn ihr und vereinbarte, dass ich ihn ab und zu besuchen durfte. Mit der Zeit würde es mir schon gelingen, die Spröde zu erobern. Ich war ungeheuer stolz auf meinen taktischen Geniestreich.

Als ich nach Hause kam, wollten meine Eltern wissen, wo ihr Hund sei, und ich antwortete: „Den habe ich verschenkt.“ Das akzeptierten sie nicht, sondern befahlen mir, ihr Eigentum wiederzubeschaffen. „Beeil dich! Jeden Augenblick können Zwerge hier einbrechen!“, krakeelte meine Mutter. Nach ein paar Stunden des Trotzes beugte ich mich ihrem Willen. Ich ging zu den neuen Nachbarn hinüber. Die Tochter war bei meinem Anblick sichtlich enttäuscht. Furchtbar verlegen fragte ich, ob sie den Hund noch besäße. „Ja“, antwortete sie, „aber meine Mutter hat ihn zum Hundepsychologen gebracht, weil er pausenlos bellt.“ In diesem Augenblick kehrte ihre Mutter zurück, unter dem Arm hatte sie den kleinen Hund meiner Eltern. Das Mädchen fragte: „Konnte der Psychologe was tun?“ – „Ja.“ – „Bellt der Hund nicht mehr?“ – „Nein.“ – „Toll!“, jubelte die Tochter, und ich schwärmte: „Ja, die Psychologie!“

In diesem Augenblick begann der Hund zu krähen wie ein Hahn. „Ich sag ja, er bellt nicht mehr“, kommentierte die Mutter. Doch statt sich darüber zu freuen, schluchzte ihre Tochter: „Ich will keinen Hund, der kräht!“ Erbittert warf sie ihn mir zu: „Hier hast du dein Scheiß-Geschenk wieder.“ Als ich mit dem krähenden Hund davonlief, hörte ich sie weinen: „Ich hab schon gar keine Lust mehr, hier zu wohnen, wenn dieser Depp unser Nachbar ist!“ Ihre Mutter tröstete sie: „Wir ziehen sofort wieder aus.“

Zu Hause präsentierte ich stolz den wiedergewonnenen Hund. Meine Eltern achteten aber gar nicht darauf, sondern sahen aus dem Fenster. „Die neuen Leute da drüben ziehen schon wieder aus“, sagte mein Vater, und meine Mutter bemerkte: „Eine nette Tochter haben die. Wäre vielleicht die richtige Freundin für unseren Jungen gewesen. Aber der interessiert sich ja nicht für Mädchen.“ Das war zu viel! Ich erlitt einen hysterischen Raptus, schlug eine schrille, hebephrene Lache auf. In der Absicht, mich zum Schweigen zu bringen, brüllten meine Eltern auf mich ein, und der Hund krähte dazu aus Leibeskräften. Ich krönte das Höllenkonzert, indem ich ganz und gar von Sinnen grölte: „Der Hühnerhund, der Hühnerhund, der küsst die Hühner auf den Mund! Gebt mir ein Huhn, auf dass ich es heirate!“