herr tietz macht seinen 100. einwurf
: Berti steht auf Angie

Kolumnen-Jubilar Fritz Tietzüber die Wahrheit, die nicht nurauf dem Platz ist

Fritz Tietz ist 45 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Etliche Sportler warben im zurückliegenden Bundestagswahlkampf für die etablierten Parteien. Für die SPD machte zum Beispiel die Biathletin Kati Wilhelm den Affen. Die FDP konnte u. a. auf den Herrenreiter Ludger Beerbaum setzen und die Grünen auf den Ex-Fußballprofi Marco Bode. Die meisten Supporter aus dem Spitzensport boten jedoch die Christdemokraten auf. Neben eher semiprominenten Randsportlern wie der Dressurreiterin Isabell Werth sowie so abgehalfterten Sportskanonen wie Michael Stich sprach sich mit dem ehemaligen Bundestrainer Berti Vogts sogar ein ganz Großer des Fußballs für die CDU aus. In seinem Unterstützer-Statement versuchte Vogts seine fußballerische Kompetenz mit seiner politischen Hoffnung zu verknüpfen: „Die Wahrheit liegt nicht nur auf dem Fußballplatz. Ich hoffe auch in der Politik. Dafür steht Angela Merkel.“

Nun ist im Dunkeln bekanntlich gut munkeln, weshalb dort gelegentlich auch die Wahrheit liegt: wenn sie nämlich mal wieder partout nicht mit sich rausrücken will. Aber liegt die Wahrheit auch auf dem Fußballplatz, wie Berti Vogts behauptet? Wohl kaum. Die Spieler würden doch alle Nase lang über sie stolpern. Die Fußballerlegende Adi Preißler wußte das: „Entscheidend ist aufm Platz“, lautete denn auch seine längst in den Rang der höheren Fußballweisheiten aufgestiegene Original-Erkenntnis, und daran gibt’s nun wirklich nichts zu rütteln. Nein, die Wahrheit liegt nicht auf dem Fußballplatz; und schon gar nicht faul herum und einfach so in der Sonne oder gar im Verborgenen, wie man nach der Vogts-Version des Preißler-Zitats assoziieren könnte. Entscheidend ist aufm Platz und sonst gar nichts. Oder wie es bei Vogts korrekt, wenn auch einigermaßen kryptisch hätte heißen müssen: „Entscheidend ist nicht nur aufm Platz. Ich hoffe auch in der Politik. Dafür steht Angela Merkel.“ So viel zur präzisen Verwendung von Fußballerzitaten.

Ob wenigstens in der Politik die Wahrheit liegt? Schwer zu sagen. Eins ist laut Vogts immerhin sicher: Angela Merkel liegt nicht. Sie steht. Und zwar dafür. Für die Hoffnung nämlich einer in der Politik liegenden Wahrheit.

Eine ganz andere Wahrheit indes ist, daß im Regierungsprogramm von CDU/CSU kein einziges Mal das Wort „Sport“ auftaucht. Auch verwandte Begriffe wie „Turnen“, „Leibesübung“ oder „Körperertüchtigung“ kommen dort nicht vor. Gibt man das Wort „Körper“ in die Suchfunktion des CDU-Programms ein, erzielt man zwar vier „Körper“-Treffer. Die haben aber allesamt den ziemlich unsportlich klingenden Zusatz „schaftssteuer“ hinten dran. Das Wort „Leib“ ist einmal vertreten. Auf Seite 32 des 47 Seiten starken Programms heißt es: „Der Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Bürger ist die ureigenste Aufgabe des Staates.“ Mit etwas gutem Willen kann man das für einen sportpolitischen Aspekt halten. Schließlich gehören gerade Sportler zu den Bürgern, deren leibliche Unversehrtheit, etwa durch grobes Foulspiel, extrem gefährdet ist. Wie allerdings gedenkt die CDU deren Schutz als „ureigenste Aufgabe des Staates „ wahrzunehmen“? Durch die Verstaatlichung des Schiedsrichterwesens vielleicht und dessen Eingliederung in die staatliche Exekutive? Durch ein gesetzliches Verbot des Foulspiels womöglich? Und kann man das Adjektiv „ureigen“ eigentlich steigern?

Kurzum: Speziell sportliche Gesichtspunkte sind im Regierungsprogramm der Union allenfalls zwischen den Zeilen auszumachen. So könnte man etwa dessen Titel („Deutschlands Chancen nutzen“) mit ein wenig ballverliebter Fantasie als einen Befehl an die deutsche Nationalmannschaft deuten, ab sofort gefälligst jede sich bietende Torchance zu verwerten statt, wie unter Rot-Grün häufig erlebt, diese leichtfertig zu vertändeln. Bedenklich stimmen sollte dagegen jeden Fußball-Fan diese CDU-Ankündigung: „Wir werden die Zuwanderung … auf Ausländer begrenzen, die in Deutschland zu Spitzenleistungen in Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Kultur beitragen können.“ Von der Zuwanderung ausländischer Spitzenleister in die Fußball-Bundesliga ist da ausdrücklich nicht die Rede.