„Bei so viel Spießigkeit wird die Prollo-Party zum Akt der Rebellion“

Das bleibt von der Woche Die Berliner Polizei hat die Hauptstadt in Hamburg feuchtfröhlich vertreten, um sich dann bei der Räumung des Neuköllner Kiezladens Friedel54 wieder von der rabiaten Seite zu zeigen, das Rad vor der Volksbühne zeigt sich so wehrhaft wie die UnterstützerInnen der Friedel und bleibt sogar vorerst im Boden, und die maroden Schulen – ach –, die werden jetzt vielleicht endlich saniert, und schon motzen wieder welche

Hart feiern, hart zuschlagen

Berliner Partypolizisten

Nicht eine (!) Nacht hielten es die Polizisten in der Flüchtlingsunterkunft aus

Deutsche Schlager, Gruppenpinkeln am Zaun, Striptease mit Dienstwaffe und eine besoffene Schlägerei: Eigentlich klingt die Party, die drei Berliner Hundertschaften während ihres G-20-Gipfel-Einsatzes in Hamburg veranstalteten, nach einer ziemlich schrecklichen Veranstaltung. Dennoch wurden die „Berliner Partypolizisten“ in dieser Woche kurzzeitig auch dort zu Sympathieträgern, wo man normalerweise weder mit der Polizei noch mit deutschem Schlager viel anfangen kann: Von der Clubcommission bis zu den Satirikern von Die Partei gab es Solidaritätsbekundungen, in den sozialen Netzwerken wurden die Beamten gefeiert.

Das lag vor allem an der völlig überzogenen Reaktion vieler Medien: Die B.Z. glaubte einen der „größten Polizeiskandale der vergangenen Jahre“ auszumachen, in der Bild werden die Überreste der Party akribisch dokumentiert, die Berliner Zeitung macht aus einem vögelnden Polizistenpaar eine „Sexorgie“ und im RBB wird nach einem Rücktritt des Polizeipräsidenten gefragt. Bei so viel Spießigkeit wird die Polizisten-Prollo-Party zum rebellischen Akt, es geht gar nicht anders.

Am Donnerstag war es dann aber auch schon wieder vorbei mit dem ungewöhnlichen Schulterschluss zwischen Liebhabern Berliner Liberalität und der Polizei: Bei der Räumung des Kiezladens Friedel54 in Neukölln (siehe rechts) stellten die gleichen Hundertschaften klar, dass sie nicht nur hart feiern, sondern auch hart zuschlagen können, und verspielten sich damit im Nu alle gerade gewonnenen Sympathiepunkte. Und auch in Hamburg dürften die 16.700 übriggebliebenen Polizisten in der nächsten Woche dafür sorgen, dass der Begriff Spaß wieder zu einer äußerst seltenen Assoziation im Gedanken an diese Behörde wird.

Ein Detail der Geschichte sollte allerdings auch über diese Woche hinaus zu denken geben: Nicht eine (!) Nacht hielten es die Berliner Polizisten in der sonst als Flüchtlingsheim genutzten Containerunterkunft aus, ohne vor lauter Langeweile („wir hatten ja nicht mal einen Fernseher“) eine Riesenparty zu veranstalten. Wenn die Polizei das nächste Mal gegen ihre Unterkunftsbedingungen protestierende Flüchtlinge räumen lässt, darf gern daran erinnert werden. Malene Gürgen

Das Symbol will nicht weichen

Volksbühnen-Abschied

Die große Frage ist: Werden Berlins Theaterfans Dercons Angebot annehmen?

Sie zogen und zogen, doch die „Räuberrad“ genannte Eisenskulptur vor der Volksbühne wollte nicht wackeln, nicht weichen. Daraufhin wurde am späten Mittwochabend der erste Versuch abgebrochen, das bekannte Wahrzeichen des Theaters abzubauen.

Welch schönes Bild! Fast so, als ob das Symbol eines der wichtigsten Theater im deutschsprachigen Raum länger als geplant Symbol bleiben und sich nicht reinreißen lassen will in die bisweilen obskur anmutenden Diskussionen über die Volksbühne, ihren scheidenden Intendanten Frank Castorf und das damit verbundene Ende einer Ära.

An diesem Sonnabend ist es nun so weit: Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, wie wir sie kennen, ist Geschichte. Die letzte Vorstellung startet um 16 Uhr, abends soll auf dem Platz wild und laut – wie dieses Theater eben gerne war – gefeiert werden.

Was danach kommt, lässt sich teilweise ziemlich genau absehen, andererseits überhaupt nicht. Castorfs Nachfolger Chris Dercon, der vormalige Leiter der Tate Gallery of Modern Art in London, setzt stark auf internationale Produktionen, die im Theater und auf einer Satellitenbühne auf dem Tempelhofer Feld kurz Station machen sollen.

„Eventisierung“ nennen das die vielen Kritiker. Dercon verteidigte sein Profil am Montag noch einmal im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses: „Wir machen keinen radikalen Neustart. Wir sind auf Kontinuität aus.“ Allerdings wolle er das Haus zu einem Mehrspartenhaus machen – mit Theater, Tanz, Musik, Kunst, Mode und der Kultur des Digitalen. Das klingt letztlich wie das Programm des HAU, nur mit mehr finanziellen Mitteln.

Bleibt die Frage, ob die Berliner Theatergänger Dercons Angebot annehmen. Davon allein wird es letztlich abhängen, ob all die Kritik, Häme, Beschimpfungen, Ängste der vergangenen zwei Jahre schnell zu einer vergessenen Inszenierung werden – oder ob Dercons Intendanz nur ein kurzes Gastspiel bleibt.

Auch die Zukunft des „Räuberrads“ ist unklar: Falls es doch gelingt, es abzubauen, soll es – wie am Mittwoch bekannt wurde – erst zum Theaterfestival nach Avignon reisen, dann ein Jahr lang saniert werden und schließlich entweder am selben Platz oder „einem anderen, würdigen Standort“ aufgestellt werden. Bert Schulz

Cleverer Zug des Finanz­senators

Schulsanierung

Es ist genau diese Haltung der Bezirke, die die Misere mitverursacht hat

Die Not mit den kaputten Schulen ist umfassend. Das Konzept, das diese Not nun beseitigen soll, ist es auch. Am Dienstag stellte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) vor, wie er künftig Berlins Schulen sanieren will – und zwar so, dass nicht hier und da dem Verfall hinterhergeflickt wird, sondern von Grund auf.

Deshalb wird erstens eine Landesgesellschaft gegründet, die als Tochter der Wohnungsbaugesellschaft Howo­ge alle Neubauvorhaben sowie die großen Sanierungsfälle über 10 Millionen Euro steuert. Tatsächlich gibt es von diesen „Großschadensfällen“, quasi bessere Ruinen, etwa 30 in Berlin.

Zweitens sollen vier Schulsanierungs-GmbHs, die an die bezirklichen Bauämter angedockt sind, für den Bereich zwischen 5,5 Millionen und 10 Millionen Euro zuständig sein. Für alles, was weniger kostet, sind weiterhin die Bezirke zuständig.

Prompt fingen die allerdings an zu nörgeln: Man sieht sich in den Kompetenzen beschnitten. Der SPD-Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann, witterte im Tagesspiegel gar eine „feindliche Landnahme“ durch den Senat.

Es ist allerdings genau diese Haltung, die die jetzige Misere mitverursacht hat. Die Bezirke beharren auf ihrer Hoheit als Bauherren, der Senat gibt das Geld. Das war so bequem wie verheerend, wenn es irgendwo hakte – weil man praktischerweise immer mit dem Finger auf den jeweils anderen zeigen konnte. Entweder war das verschnarchte Bauamt im Bezirk schuld, weil es mit der Planung nicht vorankam, oder der Senat hatte zu wenig Geld lockergemacht.

Gut also, wenn man nun versucht, diese besitzstandswahrende Denke aufzubrechen. Interessanter ist da schon die Frage nach der Transparenz, die der Landesrechnungshof anmahnte. Denn die bei der Ho­woge angedockte Tochtergesellschaft soll sich das Geld über Kredite besorgen. Die Schulden werden nicht dem Landeshaushalt zugeschlagen, weil die landeseigene Howoge ein privatrechtliches Unternehmen ist. Ein cleverer Zug des Finanzsenators. Ob er sich bezahlt macht, und am Ende nicht doch aus dem Landeshaushalt dafür bezahlt werden muss, wird man sehen. Anna Klöpper

Die machtlosen Mächtigen?

Räumung Friedel54

Henkel lässt grüßen: Die Blockade wurde mit Schmerzgriff und Schlägen geräumt

Im Koalitionsvertrag der Berliner rot-rot-grünen Landesregierung heißt es, neue, lebenswerte und sozial durchmischte Stadtquartiere würden zukünftig geschaffen. Einstweilen ein guter Ansatz, doch wäre es nicht förderlicher, auf Bestehendem aufzubauen? Mit der Zwangsräumung des Kiezladens Friedel54 in Nordneukölln am Donnerstag ging diese Chance ein weiteres Mal verloren.

Schutz bieten eigentlich das kommunale Vorkaufsrecht und die ausgeweitete Milieuschutzverordnung. Beide Konzepte sollen Bürger*innen vor unbezahlbaren Mieten und der vereinheitlichenden Gentrifizierung der Bezirke bewahren. Wer es nun genau versäumt hat, von diesem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, ist fraglich. Im September 2016 wurde Rot-Rot-Grün gewählt. Während der Vorbereitungen eines gemeinsamen Koalitionsvertrages trat im Oktober die lu­xemburgische Briefkastenfirma ­Pinehill s. a. r. l. als neue Eigentümerin des Hauses auf den Plan.

Die Bewohner*innen hatten zuvor versucht, selbst das Haus zu kaufen. Erst nach dem Verkauf nahm dann Rot-Rot-Grün Kontakt zum neuen Eigentümer auf und stieß auf taube Ohren. So sah sich die Landesregierung letztlich gezwungen, die Interessen des Eigentümers mit einem exekutiven Aufgebot von rund 500 Polizist*innen durchzusetzen. Trotz friedlichem Protest wurde die Blockade teilweise unverhältnismäßig mit Schlägen und Schmerzgriffen geräumt. Der zu Recht dämonisierte Stil Frank Henkels (CDU) ließ grüßen.

Meinte Tom Schreiber, innenpolitischer Sprecher der SPD in Berlin, diese Szenen, als er via Twitter der Berliner Polizei einen erfolgreichen Einsatz bei der Räumung wünschte? Nach dem fragwürdigen Verkauf des Hauses hätte der Zuspruch den Demonstrierenden und Aktivist*innen gelten sollen. Das übernahmen dann Vertreter*innen der Linkspartei und der Grünen, die vor Ort dabei waren.

Mit der Friedel54 wurde ein weiteres Projekt zur Stadtgestaltung „von unten“ dem Boden gleichgemacht. Es bleibt ein ernüchterndes Resultat: Damit, dass die Räume des Kiezladens wahrscheinlich vorerst leer stehen, ist niemandem geholfen – konkrete Konsequenzen politischer Versäumnisse. In diesem Sinne: Häuser denen, die sie brauchen. Torben Becker