Berliner Szenen
: Durchmachen

Zurück auf der Erde

Der Himmel ist blau und mein Kiez der schönste Ort der Welt

Draußen wird weiter getanzt, wenn die Sonne aufgeht. Ich weiß nicht mehr, seit wie vielen Jahren ich nicht mehr die Nacht in einem Club durch getanzt habe. Aber fühlt sich an, als wäre es das erste Mal, dass ich nicht nach Hause gehe, als es hell wird und die Vögel zwitschern.

Wir gehen zur S-Bahn-Station Ostkreuz und frühstücken Eier mit schwarzem Kaffee im McDonald’s, auch eine Premiere. Die Sonne dringt durch die Jalousien. Würden hier nicht so viele Menschen mit Sonnenbrillen sitzen und Kaffee trinken, wären wir in einem US-Roadmovie und Tom Waits käme gleich durch die Tür. Ich würde mich tierisch freuen, ihn zu sehen.

Zurück im Clubgarten. Die Leute trinken Cocktails, ich bestelle ein kaltes Radler. Dann hüpfen wir auf die Tanzfläche, die Schatten der Äste bewegen sich auf einer roten Plane, überall vibrieren Basstöne. Jemand sagt „als wären Körper voller Handys“. Es riecht nach Alkohol und Lagerfeuer, manche liegen unter den Bäumen, unterhalten sich, küssen, machen Siesta. Eine barbusige junge Frau verabschiedet sich von ihren Freunden.

Die Nachtklamotten glitzern anders als im Scheinwerferlicht, die geschminkten Gesichter sehen grotesk aus. Wahrscheinlich bei mir auch. Mir egal, ich bin gut gelaunt und gar nicht müde. „Das ist zu funky“, sagt jemand und ich weiß nicht, ob er die Musik oder die Situation meint, ob es Lob oder Kritik sein soll.

Später ist die S-Bahn voll mit Hertha-Fans, alten Paaren, Kleinkindern und Menschen mit Fahrrädern: Sie machen wohl ihre Wochenendausflüge. Bei mir fühlt es sich hingegen an, als kehrte ich vom Ausflug auf einen anderen Planeten zurück. Ich lande in der Hermannstraße und flaniere Richtung Boddinstraße durch Neukölln. Der Himmel ist blau und mein Kiez plötzlich der schönste Ort der Welt. Luciana Ferrando