heute in Bremen
: „Einfach in die Schublade“

Antisemitismus Deutsch-Israelische Gesellschaft diskutiert über umstrittene Dokumentation

Hermann Kuhn

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72, ist Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Bremen und Politiker von Bündnis90/Die Grünen.

taz: Herr Kuhn, über die Dokumentation „Auserwählt und Ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ wurde bereits vor ihrer Veröffentlichung debattiert, warum?

Hermann Kuhn: Weil die Dokumentation einfach in die Schublade gewandert ist. Das ist bei Rundfunksendern nicht der gewöhnliche Lauf der Dinge. Normalerweise werden Filme in Auftrag gegeben und abgesprochen. Anschließend wird darüber diskutiert und Fehler werden behoben. Aber dazu kam es gar nicht erst.

Nun wurde die Dokumentation doch ausgestrahlt, versehen mit durchgängigen Warnhinweisen. Ist das betreutes Fernsehen?

Es wurde schon versucht, die Zuschauer an die Hand zu nehmen. Die ständigen Warnhinweise sind extrem eigenartig. Das hat es so noch nie gegeben. Auch diese Art, Meinungen als Fakten zu kommentieren, ist fragwürdig.

Sie reden vom Faktencheck, der online abrufbar ist, um den Film in einen objektiven Rahmen zu rücken. Das tut er aber nicht?

Er ist in weiten Teilen kein Faktencheck, sondern verkleidet die Meinung des WDR. Der Film zeigt zum Beispiel Mahmud Abbas, den ehemaligen Präsidenten Palästinas, der von Rabbinern spricht, die zum Vergiften des palästinensischen Wassers aufrufen. Der Film positioniert die Aussage in die Legende des Brunnen vergiftenden Judens, eine antisemitische Stereotype. Obwohl es sich um eine Positionierung handelt, weist der WDR diese zurück. Es ist eine Verharmlosung.

Bemängelt wurde von Kritikern unter anderem auch eine polemische und einseitige Erzählweise.

Ja, es ist ein meinungsstarker Film. Zudem ist er etwas überfrachtet und versucht viele Themen in kurzer Zeit zu behandeln. Das wurde auch bemängelt. Daran wird aber deutlich, in wie vielen Formen Antisemitismus auftaucht, wie etwa in einer verkleideten Kritik an Israel. Es stimmt, dass die Autoren dabei Fehler gemacht haben, auch handwerkliche. Diese hätten aber in der Nachbearbeitung ausgemerzt werden können. Davon abgesehen funktioniert er wie andere Dokumentationen auch, das kann man dann auch einseitig nennen.

Interview Florian Schlittgen

18 Uhr, im EuropaPunktBremen, Haus der Bürgerschaft