Unterstützung für Gesamtschulen

WAHLKAMPF Niedersachsens SPD verspricht, im Falle eines Wahlsiegs die Gründung von Gesamtschulen zu erleichtern. Das Turbo-Abi werde nicht mehr Pflicht sein. Die CDU erkennt eine Attacke aufs Gymnasium

„Es wird mit uns keine Debatte über Schulstruktur geben“

FRAUKE HEILIGENSTADT, SPD

Niedersachsens Landesregierung sei „müde und verbraucht“, sagte SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil, als er am Samstag sein Wahlprogramm mit den Schwerpunkten Bildung, Energiewende und demografischer Wandel auf dem Landesparteitag in Wolfsburg vorstellte. In der Schulpolitik könnte diese Diagnose stimmen: Mit ihrem Kurs, es den Integrierten Gesamtschulen (IGS) möglichst schwer zu machen, hat es sich die CDU-FDP-Regierung mit fast allen schulpolitischen Akteuren im Land verdorben.

Nach der jüngsten Umfrage liegen SPD und Grüne mit zusammen 47 Prozent vor der CDU mit 41 Prozent; die FDP würde demnach nicht wieder in den Landtag einziehen. Bekommt Rot-Grün am 20. Januar eine Mehrheit, wird die „Diskriminierung der Gesamtschulen gestoppt“, verspricht Schatten-Kultusministerin Frauke Heiligenstadt. Man werde jene Forderungen umsetzen, die vor zwei Jahren Gremien und Verbände am „runden Tisch“ erhoben.

Da wäre zunächst die IGS-Mindestgröße: In der laufenden Legislaturperiode wollten rund 70 Kreise und Kommunen eine IGS gründen. Dazu aber müssen sie jeweils nachweisen, dass es genügend Schüler für zehn Jahre mit jeweils fünf parallelen Klassen gibt. Im Februar erst scheiterte der Landkreis Northeim mit einer Klage dagegen vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Insgesamt wurden seit 2008 nur 32 neue IGS zugelassen.

Heiligenstadt kündigt an, die aktuelle Verordnung sofort außer Kraft zu setzen. „Wir werden einfach die alte einsetzen“, sagt sie: Bis zum Regierungswechsel 2003 waren auch vier- oder sogar nur dreizügige IGS zugelassen.

Unter SPD-Verantwortung sollen Gesamtschulen wieder „schulformersetzend“ sein dürfen: Sie könnten auch dann gegründet werden, wenn dadurch eine Haupt- und Realschule in der Nähe zu wenig Schüler hat. Zudem dürften alle IGS wieder Ganztagsschule sein. Und sie würden nicht länger gezwungen, das „Turbo-Abitur“ nach zwölf Jahren einzuführen.

Letzteres hatte die CDU vor zwei Jahren unter großem Protest verordnet. Diese Änderung ließe sich relativ leicht rückgängig machen, sagt Heiligenstadt: Die davon betroffenen Schüler seien jetzt erst in Klasse 5 oder 6.

Die Diplom-Verwaltungswirtin Heiligenstadt ist bislang schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Der CDU-Politiker Karl-Heinz Klare nennt ihre Nominierung eine „Kampfansage an die Gymnasien“, Heiligenstadt spricht von „Panikmache“: die Gymnasien hätten „nichts zu befürchten. Es wird mit uns keine neue Schulstrukturdebatte geben.“ Auch die neu geschaffenen „Oberschulen“, ein Ersatz für Haupt- und Realschulen, blieben von der SPD unangetastet – wenn die Eltern es wünschen. KAJ