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Die wenigen und die vielen

WERTSCHÖPFUNG Dass es teuer ist, macht manch Kunstwerk interessanter als sein Inhalt. Das Haus am Lützowplatz bringt in der Ausstellung „Transaktionen“ Künstler zusammen, die über Geld nachdenken

„Biete Überlebenshilfe bei einsamkeitsbedingter Selbstzerstörung.“ Auweia. Was ist das denn für eine Kleinanzeige, getippt auf ein Zettelchen, gepinnt an die Galeriewand? „Künstler fährt ihr Auto kunstgerecht zu Schrott (kein Versicherungsbetrug)“, liest man weiter. Oder „Gebe günstig einbeiniges Skelett ab“.

Über alle Räume der Ausstellung „Transaktionen“ im Haus am Lützowplatz sind solche Kleinanzeigen verteilt. Sie bieten Hilfe bei der Mappenvorbereitung, Musiker verkaufen Eröffnungskonzerte, Darlehen und Mäzene werden gesucht. Ganz schön hart und oft ganz schön ratlos, dieses Künstlerleben, denkt man beim Lesen. Tatsächlich sind alle Anzeigen Fundstücke, erschienen zwischen 1984 und 2016. Moritz Frei hat sie gesammelt und in dem kleinen Buch „Tausche Ölbild für gebrauchtes Auto (nicht älter als 5 Jahre)“ publiziert. Sie geben der Ausstellung „Transaktionen“, die sich mit der Wertschöpfung von Kunst beschäftigt und fragt, wie hohe Preise Werke und Inhalte beeinflussen, einen Rahmen, der die Ausstellung erdet. Denn sie stammen eindeutig nicht aus der Szene der wenigen, gut im Handel etablierten Künstler, sondern aus der oft übersehenen Menge der vielen prekär Arbeitenden.

Kunstbetriebskunst

Anfang der neunziger Jahre war in Berlin eine Zeit lang von Kunstbetriebskunst die Rede: Es ging um Werke, die sich mit den Produktions- und Handelsbedingungen von Kunst beschäftigten. Hier nimmt „Transaktionen“, von Marc Wellmann, dem Leiter des Hauses am Lützowplatz, kuratiert, ihren Ausgangspunkt. Damals begann Thorsten Goldberg seine Kassenbons von Lebensmitteleinkäufen zu rahmen und zur exakt gleichen Summe seines Einkaufs zu verkaufen. Diese bescheidene Arbeit ist im gleichen Raum zu sehen wie ein Video und zwei Schiffsmodelle, die Christian Jankowskis Werk „The finest Art on Water“ von 2011 vorstellen. Eine Mega-Yacht bot er bei der Kunstmesse Frieze in London an, für 65 Millionen Euro war das Riva-Motorboot einfach als Yacht zu haben, für 75 Millionen Euro als Yachtkunstwerk „Jankowski“, mit Zertifikat. Die marktkritischen Konzepte, die Kunst als Luxusobjekt herausstellten, waren selbst zum Luxusobjekt geworden. Dass Kunst solcherart gehandelt wird, untergräbt für viele ihre Glaubwürdigkeit. Ja, dass sie überhaupt nicht allein von Idealen lebt, sondern mit materiellen Bedürfnissen und knallharten Handelsinteressen verbunden ist, macht sie in naiven Augen anrüchig.

An diesen Vorwurf gegenüber der Kunst, doch nur eine Spielwiese für die Reichen zu sein, rührt eine Aktion von Michael Sailstorfer, „Pulheim gräbt“. Sailstorfer, von der Stadt Pulheim eingeladen für Kunst im öffentlichen Raum, vergrub auf einem kleinen Platz zwischen Wohnhäusern 28 kleine Goldbarren und säte anschließend Senfsamen auf einer Freifläche aus. 80 Dias dokumentieren nun den Tag und die Nacht, nachdem diese Fläche der Bevölkerung übergeben worden war. Sie verwandelt die blühende Fläche mit Schaufeln im Nu in eine Maulwurfslandschaft, glückliche Finder halten die kleinen Goldbarren in der Hand. Den Schatz finden und behalten dürfen, war ihre Befriedigung. Ihn vergraben zu lassen und symbolisch zu teilen, nicht.

Geldwert und Marktwert

Weil jeder der zwölf künstlerischen Beiträge das Verhältnis zwischen Kunst, Wert, Geldwert und Marktwert anders verhandelt, ist die Ausstellung interessant. Vorgestellt wird auch ein Projekt, initiiert vom niederländischen Konzeptkünstler Renzo Martens, bei dem Skulpturen aus Schokolade Geld einbringen sollen für ein Kulturzentrum am Rande einer Kakaoplantage im Kongo. Von Plantagenarbeitern wurde die Skulptur in Lehm entworfen, die Schokolade von einem belgisch-französischen Konzern gestiftet. „The Art Col­lector“ ist der Titel der Figur, die auf einem von Schlangen umzüngelten Thron hockt.

Katrin Bettina Müller

„Transaktionen“, Haus am Lüt­zowplatz, Di.–So. 11–18 Uhr, bis 20. August

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