„Ich bin ein Aktenvorgang“

HAFT Jahrelang lebte er in der JVA Celle fremdbestimmt. Ein Gespräch über Regeln

■ kam 1979 in die JVA Hannover. Nach Fluchtversuchen kam er 1995 in die JVA Celle, wo er fast 16 Jahre in Einzelhaft verbrachte. Im November 2011 wurde er entlassen. Seitdem lebt er in Berlin.

INTERVIEW KARIN SEETHALER

taz: Herr Finneisen, Sie haben Ihre Strafe bis zum letzten Tag abgesessen. Haben Sie heute das Gefühl, frei über Ihr Leben entscheiden zu können?

Günther Finneisen: Am Anfang war es oft hart, aber derzeit macht mir das Ganze auch einen Heidenspaß. Ich habe das Glück, dass ich das mit Humor nehme. Das hat mir im Knast geholfen, zu überleben. Das ist hier draußen nicht anders.

Wann wurden Sie entlassen?

Das ist jetzt fast ein Jahr her, danach kam ich direkt nach Berlin. Ich wollte meine Ruhe haben. Hier bin ich eine ganz kleine Nummer, ein Aktenvorgang. Wäre ich in Niedersachsen auf dem Dorf geblieben, wäre das anders. Die hätten mir da wohl drei Streifenwagen vors Haus gestellt.

Wussten Sie, wo Sie in Berlin wohnen würden?

Nein, und offiziell bin ich ja bis heute obdachlos. Ich lebe in verschiedenen Übergangslösungen. Der Wohnungsmarkt in Berlin ist beinhart, und meine Situation erschwert das. Ein Vermieter muss nur meinen Namen bei Google eingeben, um zu sehen, was ich für einer bin. Würden Sie so einen in die Wohnung nehmen? Nee, oder?

Welche Möglichkeiten bleiben dann?

Natürlich gibt es Hilfsvereine. Aber wenn du zu denen gehst, stecken sie dich sofort in betreutes Wohnen. Sorry, aber ich hab den Knast hinter mir. Selbst wenn das nur heißt, dass einmal im Jahr einer vorbeikommt, um zu sehen, ob alles hübsch ist – der kommt bei mir nicht rein. Ich lass mich nicht mehr kontrollieren.

Hatten Sie sich Ihr Leben draußen so vorgestellt?

Ich war sechzehn Jahre in der Isolationszelle, da muss ich erst mal einiges nachholen. Handys zum Beispiel habe ich nicht mitgekriegt. Ich bin noch immer kein Einstein mit meinem Ding. Ich vertippe mich so oft, das glaubt man nicht.