LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Adipöse Autos

betr.: „Trotz vegan und Fitness: Die Menschen werden dicker“, taz vom 13. 6. 17

Liebe Redaktion, interessant, gleich neben der Überschrift „Die Menschen werden dicker“ drucken Sie ein vielsagendes Foto der Ärsche adipöser Porsche Cayennes.

Ja, die Adipositas beim Menschen ist ein Problem, vor allem für die direkt Betroffenen, aber die um sich greifende Adipositas beim Blech auf den Straßen weltweit ist für die Zukunft der Menschheit doch weit bedrohlicher. Während es gegen die Adipositas beim Menschen unzählige (und oft leider wirkungslose) Kampagnen gibt, vermisse ich solche gegen die Fettleibigkeit der Autos. Auch die Politik übersieht das Problem bisher noch geflissentlich – sonst hätte man ja bei der durch die Maut-Einführung anstehenden Reform der Kfz-Steuer diese einfach an das Fahrzeuggewicht statt an irgendwelche ominösen Emissionswerte binden können.

Viele Grüße aus dem Südwesten. MICHAEL ECKER, Ravensburg

Zur Sonne, zur Freiheit

betr.: „Diktatur ist nicht nur ein Vergangenheitsthema“, taz vom 10./11. 6. 17

Wenn in der taz ehemalige Bürgerrechtler der DDR zu Wort kommen, bin ich immer gespannt, wie sie heute auf dieses untergegangene Land schauen.

Ulrike Poppe, der das Bundesland Brandenburg die Aufarbeitung der SED-Diktatur übertragen hat, zeichnet in diesem Interview ein Bild vom Alltag in der DDR, das mehr über sie selbst aussagt als über das Land DDR. Da wurden Säuglinge morgens in der Krippe von den Eltern über den Tresen gereicht. Durch die Scheibe konnte man zuschauen, wie die Gruppenräume gesäubert wurden, während die Kinder schweigen und die Händchen auf den Tisch legen mussten. Kinder mussten folgsam sein, sich unterordnen, Disziplin lernen. Und in Heimen zwangen Krankenschwestern alle Mädchen ab sieben Jahren auf den gynäkologischen Stuhl.

Und wir, die Eltern? Wir spielten, wie sie sagt, nicht mit unseren Kindern, erklärten ihnen nichts und ließen keinen Widerspruch zu. Welches Urteil fällt Ulrike Poppe damit über uns Eltern, die ihre Kinder solchen Bedingungen ausgesetzt haben sollen? Es waren mein Sohn und meine zwei Töchter, die in der von Ulrike Poppe beschriebenen Zeit in Kinderkrippe und Kindergarten, in der Schule, im Ferienlager und gemeinsam mit uns, ihren Eltern gelebt haben – im Alltag und im Urlaub in der Sächsischen Schweiz oder am Balaton. Sie werden ihr sagen, dass sie alle drei, wie Millionen andere Kinder auch, eine glückliche Kindheit hatten.

Am Ende des Interviews sagt sie, dass die DDR-Geschichte sie auch nach der Quittierung ihres Dienstes nicht loslassen wird. Aber vielleicht hört sich Ulrike Poppe nun, entspannt und ohne die Pflichten des Alltags, auch einmal die Erinnerungen von Frauen und Männern an, die sich in diesem Land nicht als entmündigte Untertanen gefühlt haben.

Auch mich lässt die DDR-Geschichte nicht los. Ich lade sie ein, mit mir hinter den Schatten die Sonne zu suchen.

ERIKA MAIER, Berlin-Marzahn

Berichterstattung rockt auch nicht

betr.: „Ich finde Merkel nicht gut“, taz vom 10./11. 6. 17

Liebe taz, gibt es bei euch einen redaktionsinternen Wettbewerb zur Entpolitisierung der Bundestagswahl? Schneidet doch mal die Fragen aus dem Interview mit Katrin Göring-Eckardt hintereinander: „Was ist das wildeste, was Sie jemals gemacht haben?“ „Sie werden als zahm, angepasst und langweilig beschrieben […] so wie die Grünen insgesamt“ „Braucht eine wichtige Grüne nicht auch ein bisschen Rock ’n’Roll?“ Und: „In dem Zehn-Punkte-Plan fehlen die harten Jahreszahlen für Klimaziele, die in ihrem Programm stehen. Ein sanfter Wind für Merkel?“ Auch diese Frage also nur unter dem Vorzeichen der Wahltaktik: gewinnt man damit WählerInnen und was ist gut für Koalitionsverhandlungen?!

Ich bin nicht dagegen, dass auch solche Fragen gestellt werden, nur: Im ganzen Interview nicht eine einzige Frage, in der es darum ginge, was aus Sicht von Göring-Eckardt und den Grünen die entscheidenden Themen der nächsten Jahre sind und wie die Grünen diese Themen voranbringen wollen?

Irgendwann „damals“ als die Grünen aus außerparlamentarischen Bewegungen hervorgegangen waren, ging es darum, durch Überzeugungsarbeit Menschen von den eigenen Inhalten zu überzeugen und so gesellschaftliche Mehrheiten zu erringen. Heute scheint es auch bei den Grünen nur darum zu gehen: Welche Inhalte taugen für welche Koalition, welche Meinungen sollen wir den Menschen vorgaukeln, um ihre Stimmen zu erbeuten? Und die taz macht das Spiel mit.

Leider erlebe ich so fast die ganze Vorwahlberichterstattung der taz in den letzten Wochen und Monaten. Dabei sind eure Seiten ansonsten voll von existenziellen Themen der Gegenwart. Aber sowie es um die Wahl geht, treten diese in den Hintergrund und werden verdrängt von den wahren Schicksalsfragen der Republik: Wer kann mit wem und wie muss er sich dafür schminken?!

Irgendwann „damals“ wusste auch die taz, dass das die Crux des Parlamentarismus ist: das Interesse daran, gewählt zu werden, drängt zu inhaltlicher Beliebigkeit, und die Notwendigkeit politischer Kompromisse lässt jede Überzeugung als Dogmatismus erscheinen. Bitte, fangt wieder an, die Politik und die PolitikerInnen mit Fragen nach Inhalten und Überzeugungen zu konfrontieren! Beliebigkeit schaffen die schon allein.

PETER HERHOLTZ, Ahrensburg