Die Fabelhaften Vier

TENNIS-WM Beim Saisonfinale in London zeigt sich erneut die Dominanz der vierköpfigen Spitzengruppe um Djokovic, Federer und Co. Ein Vordringen in deren Phalanx erscheint so gut wie unmöglich

Viele im großen Pulk glauben schon nicht mehr an ihre Chance gegen die Topleute

VON JÖRG ALLMEROTH

Im Blitzlichtgewitter der Fotografenmeute hielt er strahlend den Siegerpokal in die Höhe. Am vorletzten Sonntag war es, als David Ferrer im Hallenpalast von Paris-Bercy den ersten Masters-Sieg seiner Tennis-Karriere feierte. Doch wer genauer hinsah beim Triumph des „kleinen Biests“, des Kämpfers aus Valencia, der stolperte über den nicht unwesentlichen Schönheitsfehler. Roger Federer, der Schweizer Maestro, war erst gar nicht angetreten, Novak Djokovic und Andy Murray hatten sich lustlos in frühen Turnierrunden verabschiedet, um alle Konzentration aufs WM-Finale in London zu richten. Und Spaniens Matador Rafael Nadal fehlte noch immer verletzt. So wirkte das Endspiel zwischen Ferrer und dem polnischen Qualifikanten Jerzy Janowicz eher wie ein Gnadenakt der wirklich Mächtigen, eine kuriose Laune des Schicksals, herbeigeführt auch durch den dubiosen Tourkalender, der direkt vor dem Londoner Schlusspunkt noch ein Masters-Turnier vorsah.

Wenn es richtig ernst wird im Tourbetrieb der Profis, kennen die außergewöhnlichsten Tennisartisten, die Fabelhaften Vier also, jedoch keinerlei Pardon – und so verwunderte nicht, dass der Marathonmann Ferrer unlängst einmal sagte, der Weltranglistenplatz 5 sei ein „Traum“ für ihn, mehr könne er „eigentlich nicht erreichen“. Der Spanier führt gewissermaßen die Parallelgesellschaft all jener an, die seit Jahr und Tag erfolglos versuchen, in die Phalanx des dominierenden Quartetts vorzudringen, darunter so spielstarke Leute wie Tschechiens Tomas Berdych oder Frankreichs Musketier Jo-Wilfried Tsonga.

Im Tennisjahr 2012 teilten sich die beharrlichen Gentleman auf dem Gipfel ihre Major-Titel auf: Djokovic siegte nach einem Sechsstundendrama in Melbourne, Nadal gewann den Zweitages-Fight von Paris, Federer rückte wieder auf den Wimbledon-Thron, Murray debütierte als Champion in New York. Und jedes Mal war auch einer der Ihren der Gegner im Endspiel. „Ich sehe keinen, der sich in nächster Zukunft da vorne hereinschieben kann“, sagt Beobachter John McEnroe, „einzig Nadal könnte wegen seiner körperlichen Probleme in Gefahr geraten.“

Der fast selbstverständliche Vorstoß von Djokovic, Federer und Murray ins Halbfinale der WM bestätigte nur den Trend. Wie tief der Graben selbst unter den Top-Ten-Leuten ist, beweist die Kopf-zu-Kopf-Bilanz zwischen Federer, der Nummer 2, und Ferrer, der Nummer 5. 14:0 lautet inzwischen die Bilanz für den Schweizer. Abgesehen von Ferrers zweifelhaftem Volltreffer in Paris holten Federer, Djokovic und Nadal alle anderen Masters-Titel des Jahres, und Murray versüßte sich die Saison mit dem Goldmedaillen-Coup von London. Der Schwede Mats Wilander denkt, „dass viele im großen Pulk schon nicht mehr an ihre Chance gegen die Topleute glauben“.

Der reguläre Tourbetrieb leidet sogar unter der Führungsstärke seiner Besten. Denn außerhalb der Grand Slams und Masters-Turniere treten die Superstars immer seltener an, um sich ganz auf die wichtigeren Herausforderungen konzentrieren zu können. In vielen Ländermärkten treten Djokovic und Co. kaum noch an, mal weil die Veranstalter die hohen Antrittsprämien nicht bezahlen können, mal weil das Turnier nicht in den eigenen Zeitplan passt. „Und diese Tendenz“, sagt ein europäischer Turnierboss, „wird eher noch zunehmen.“