LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Ugandas Herz für Flüchtlinge

Export Ugandas großzügige Aufnahme von (Hetero-)Flüchtlingen ist eine Lektion für Europa. Deutschland exportiert lieber Waren als Ethik

Willkommen in Uganda! Foto: ap

Ursachen anpacken

betr.: „Ist doch nicht unsere Schuld“, taz vom 16. 6. 17

Die geburtenstarken Jahrgänge möchten vor der Rente Rücklagen schaffen, investieren aber zu wenig Geld in Aktien oder neue Immobilien, schon gar nicht im Ausland – der Sparüberschuss erklärt dann die Exportüberschüsse.

Die Ursachen anpacken, heißt auch, bei uns mehr investieren: Höhere Preise für die CO2-Entsorgung fossiler Energien führen zu energetischer Altbausanierung, zum Kauf von Elektroautos und Bau von Solarparks. Autofreie Wohnquartiere ohne viel Folgeverkehr würden Kommunen die Baulandausweisung erleichtern.

Weniger Umverteilung von der berufstätigen Generation an privilegierte Pensionäre und Rentner würde deren Sparquote reduzieren und ermöglicht mehr Ausgaben junger Familien.

Wenn es in Italien mehr für den Urlaub geeignete Radwege gäbe oder die französische Bahn den Betrieb von Schlafwagen nach Frankreich nicht mehr verhindern würde – würde ich dort mehr Urlaub machen. Der Leistungsbilanzüberschuss ist nicht der deutschen Exportindustrie vorzuwerfen.

JOACHIM FALKENHAGEN, Berlin

Markt-Götzen

betr.: „Ist doch nicht unsere Schuld“, taz vom 16. 6. 17

Liebe Frau Herrmann,

Sie haben (wieder) eindringlich auf die verheerenden Folgen einer Wirtschaftspolitik verwiesen, die geradezu religiös dem Götzen „Markt“ huldigt, aber die einfachsten Zusammenhänge nicht verstehen will, weil die katastrophalen Folgen für andere Länder das schöne Bild der eigenen „Leistung“ zerstören würden. Abgesehen von der Frage, warum sich daran bei Wahlen in Deutschland die letzten Jahre nichts geändert hat: Es gibt zwei Wissenschaftler, die ebenfalls schon lange für klare Argumente stehen und eine Korrektur der bisherigen Wirtschaftspolitik in Deutschland und Europa fordern, Rudolf Hickel und Heiner Flassbeck.

Warum verspottet Hickel den Kollegen Flassbeck als bloßen „Salden-Mechaniker“? Die Argumente beider sind ja ähnlich – des einen Überschüsse sind der anderen Defizite.

GEORG FLADT-STÄHLE, Leipzig

Uganda fair

betr.: „Zu weit weg von Europa“, taz vom 21. 6. 17

Jede Aussage des ugandischen Ministers Ecweru ist ein Schlag ins Gesicht unserer „Das Boot ist voll“-Gesellschaft!

Ecwerus Standpunkt ist von tiefster Menschlichkeit geprägt und umso überzeugender, als Ugandas Regierung nach genau diesen Maximen handelt.FRANK STENNER, Cuxhaven

Uganda homophob

betr.: „Wir können nicht sagen: Sorry, geh und stirb“, taz vom 21. 6. 17

Sehr geehrter Herr Minister Ecweru, ich unterstütze als Pate seit Jahren einen Ugander, der wegen der homophoben Gesetzgebung Ihres Landes, die Denunziation, Verfolgung, Folter und Tötung von Schwulen/Lesben/Bisexuellen und Transgender ermutigt, nach Kenia geflohen ist. Grausame Filmszenen dazu waren im Internet zu sehen. Er lebt in einem Lager der UNHCR, was auch zu Diskriminierung durch Kenianer, zum Beispiel bei der Arbeitssuche, führt.

Ich wünsche mir, beim UN-Flüchtlingsgipfel in Kampala kommt auch sein Schicksal und das aller ugandischen Flüchtlinge auf die Tagesordnung. Er ist kein Einzelfall, es sind Tausende. Über entsprechende Informationen verfügt neben UN-HCR auch Hamiam (Help a minority in a minority). Wenn Sie Geld von der internationalen Gemeinschaft für Ihre vorbildliche Flüchtlingspolitik fordern, appelliere ich an Sie, die Menschenrechte in Ihrem Land so zu gestalten, dass UganderInnen nicht weiter fliehen müssen beziehungsweise zurückkehren können. Und bis es so weit ist, lassen Sie es zu, dass ein Teil von Spendengeldern für Flüchtlinge auch Ihren geflohenen Landsleuten zugutekommt!

GÜNTHER PERSCHEID, Köln

EU sagt: Stirb

betr.: „Wir können nicht sagen: Sorry, geh und stirb“, taz vom 21. 6. 17

Es ist schon sehr erstaunlich, dass Länder wie Uganda bereit sind, mehr Flüchtlinge aufzunehmen als die Staaten aus der EU, dabei gehören diese mit Sicherheit zu den reichsten Ländern! Schaut man nach der EU und Deutschland, dann kann man sehen, dass hier ein anderer Wind weht! Hier wird auf dem Rücken von Flüchtlingen Politik gemacht, von Obergrenze über Überfremdung bis hin zu der Bedrohung des christlichen Abendlandes ist da von diversen „sogenannten“ Politikern die Rede! Eine Willkommen-Kultur sieht wahrhaftig anders aus. Und wenn man was im Vorfeld tun möchte als Staat, um Flüchtlingsströme zu begrenzen, dann sollte man gegen die Ursachen vorgehen, die da heißen: Hungersnot, Kriege und Verderben!

RENÉ OSSELMANN, Magdeburg

Darüber berichten!

betr.: „Europa muss von Uganda lernen“, taz vom 21. 6. 17

Ich habe lange überlegt, welche Tageszeitung wir abonnieren wollen. Nach „Europa muss von Uganda lernen“ auf Ihrer Titelseite bin ich mir sicher. Diesen Mut wünsch ich mir. LUTZ NEWIGER, Bremen

Heimat für alle

betr.: „Bonjour Freunde, die Politik ist zurück“, taz vom 17./18. 6. 17

Die verblüffendste Botschaft Claus Leggewies: Es gibt ihn noch, den guten alten Elfenbeinturm, und eine der schönsten 68er Parolen, „Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren“, bleibt zeitgemäß. Die Kernaussagen seines Europa-Plädoyers: „Gerechtigkeit“ als politisches Anliegen bei Sozialdemokraten, Grünen und Linken ist perdu; Mindestlohn und Rente – nicht so wichtig; Kampf gegen Fluchtursachen, Steuergerechtigkeit, sozialökologisches Wirtschaften und Kritik an der neoliberalen Verwüstung des Globus – zweitrangig. Wer nicht in seinem akademischen Turm eingemauert und damit der sozialen Wirklichkeit völlig entrückt ist, sondern tagtäglich beruflich, privat und politisch mit den unsäglichen und unerbittlichen Folgen prekärer Lebensverhältnisse zu tun hat, weiß, dass Leggewies eher mitleidiger Blick von den Zinnen herab auf Corbyn, Sanders und Mélenchon voller Verachtung für die unzähligen elenden und leidenden Menschen in Europa ist. Erschreckend an Leggewies Vorstellungen ist ihr pseudo-visionärer, in Wirklichkeit aber reaktionärer Tenor. Europa krankt daran, dass es keine Union der Menschen sondern eine der politischen und ökonomischen Eliten ist; dass deutscher Hegemoniewahn viele Millionen in Armut und Elend treibt; dass Menschenrechte im Mittelmeer ersaufen und an den europäischen Landgrenzen im Stacheldraht verbluten. Für dieses Europa sollen die Grünen sich einsetzen? „Ja“ sagen zu Europa, muss heißen, es zur Heimat für alle Menschen zu machen, soziale Gerechtigkeit zum Maßstab für Zukunftsfähigkeit werden zu lassen. Verzweifelte und traumatisierte Menschen dorthin zurückzuschicken, wo Gewalt und Hunger sie vertrieben haben, und sie mit Waffen daran zu hindern, in Europa eine Heimat zu finden, lässt tagtäglich die Hoffnung auf eine Europäische Union, die allen Menschen gehört, schwinden. GÜNTER REXILIUS, Mönchengladbach