Kleiner Bruder mit großen Augen

Berlin hat die Berlinale, gut. Was aber hat Hamburg? Bis kommenden Donnerstag lässt sich das beim Filmfest Hamburg herausfinden. Zur Handreichung: Ein Glossar für Filmfest Hamburg-Besucher und jene, die zu Hause bleiben

Brüder: Das Hamburger Filmfest wird gerne als der kleine Bruder der Berlinale bezeichnet, was die Hamburger freut, weil es eine gewisse Familienzugehörigkeit suggeriert. Allerdings hat die Berlinale ein Motorrad und kriegt immer alle Mädchen ab. Das Hamburger Filmfest hingegen versteckt sich bei den Knutschparties des großen Bruders hinter einem Vorhang im Partykeller, macht große Augen und trinkt am nächsten Morgen heimlich die abgestandenen Alkoholreste in den Gläsern aus.

Cineasten: Die Zielgruppe des Filmfestes, die für eine Woche den Käse-Nachos-beschmutzten Einheitsbreikonsumenten aus dem Kino treibt. Der Cineast kommt beim Hamburger Filmfest voll auf seine Kosten, er sieht das Beste aus europäischen Produktionen und internationalen Independentfilmen, die sonst kaum auf eine deutsche Leinwand kommen. Wen kümmert es da, dass viele von ihnen schon auf anderen Festivals oder im Ausland sogar im Kino liefen? Löblich aber: Die Veranstalter reizen den Lokalfaktor aus und zeigen eine große Reihe mit Filmen aus Hamburg, um der in Filmproduktionsdingen arg gebeutelten Hansestadt einen Rest Hoffnung zu bewahren.

Douglas-Sirk-Preis: Die allerwichtigste Einrichtung des Filmfestes, das seinen Independent-Charakter unterstreichen soll. Der DSP ist nach dem Hamburger Regisseur Douglas Sirk (eigentlich Hans Detlef Sierck) benannt, der vor allem Rainer Werner Fassbinder als Vorbild diente. Praktischerweise bekommen den DSP meist größere Kalibern wie Clint Eastwood, Jodie Foster, Isabelle Huppert oder Francois Ozon, die persönlich zur Ehrung vorbeikommen müssen und so ganz nebenbei den Promifaktor anheben. Dieses Jahr geht der DSP zum ersten Mal an eine ganze Produktionsfirma: die dänische „Zentropa“, die alle „Dogma“-Filme produziert hat und der auch Lars von Trier angehört. Ärgerlicherweise verlässt von Trier Dänemark nur im äußersten Notfall, sprich: für das Filmfestival von Cannes.

Roter Teppich: Ist natürlich Pflicht, auch wenn er oft eilenden Schrittes überwunden wird. In diesem Jahr präsentieren die Veranstalter auch gleich noch den Staubsauger zum Filmfest, der für einen guten Zweck („Staub für die Welt“) versteigert wird.

Schirmherren: Für die Sektion Kinderfilmfestival hat man dieses Jahr weder Kosten noch Mühen gescheut, gefunden hat man Dana Schweiger. Deren filmische Kompetenz ist mehr als offensichtlich – sie ist mit einem Schauspieler (Til) verheiratet, hat selber eine Menge Schwangerschaften hinter sich und wohnt gleich ums Eck. Letzte Zweifel wurden von Frau Schweiger mit dem Satz beseitigt: „Kino ist eine Kunst wie Theater und Musik“.

TV-Spielfilme: Gerade in der Abteilung „TV-Spielfilme made in Germany“ ist das Filmfest ganz vorne mit dabei und zeigt die heißesten Fernsehstreifen der Nation noch bevor sie in der Deutschen liebste Glotze kommen. Mit dabei sind alle üblichen Verdächtigen von Christiane Hörbiger über Elmar Wepper bis hin zu Hannelore Elsner, die laut Programmheft wie stets „eine Paraderolle“ übernommen hat. Besonderes Highlight: Barbara „Bitte. Ich spiele alles.“ Rudnik darf gleich in zwei Filmen denselben Gesichtsausdruck zeigen.

Promifaktor: Da die großen Hollywood-Produktionen fehlen, ist der internationale Promifaktor in Hamburg vergleichsweise nicht vorhanden. Deutsche A-Liga-Spieler (international also höchstens J-Liga) wie Katja Riemann und Jasmin Tabatabai fallen hier schon in die Kategorie „Stargäste“. Recht so! Wir brauchen endlich ein eigenes Prominentenbewusstsein. Außerdem kommt diesmal auch Deutschlands beliebtester hoch geschriebener Jubel-Super-Promi-Oberstar Alexandra Maria Lara an die Elbe. Die hat laut einschlägiger Magazine ähnliche Starqualitäten wie Nicole Kidman und wirkt außerdem ähnlich anorexisch.

Andrea Benda

Infos: www.filmfesthamburg.de