Drei mal drei Fragen

Runder TIschAuf unserem Sommerfestival darf auch intensiv zugehört, diskutiert und vor allem mitgeredet werden – unter anderem mit diesen Menschen

Andreas Raabe

Foto: Franziska Barth

Jahrgang 1978, kommt aus Rostock an der Ostsee. Er drehte Dokumentarfilme, war Presse­fotograf und Dorfreporter in Mecklenburg, außerdem Autor unter anderem für Zeit, taz, ZDF. In Rostock studierte er Politik und Philosophie, in Leipzig Diplom-Journalistik und Psychologie. Seit 2012 ist Raabe Chefredakteur beim Leipziger Stadtmagazin kreuzer.

taz: Herr Raabe, was bedeutet für Sie als Chefredakteur des „besten Stadtmagazins Deutschlands“ meinland?

Andreas Raabe: Ich weiß zwar nicht, woher Sie dieses Zitat haben, aber es gefällt mir. Zu „meinland“: Deutschland bedeutet mir gar nichts, allerdings mag ich die Sprache.

Ihre Prognosen für den Journalismus?

Ganz düster! Nein, im Ernst: Guter Journalismus wird immer guter Journalismus bleiben, daran ändern auch irgendwelche neuen Darstellungsformen oder Medien nichts. Fakten müssen ordentlich recherchiert und Geschichten gut erzählt werden. Es geht ja um Inhalte. Das kostet aber Geld – und daran hapert es zurzeit am meisten. Das Problem der Finanzierung von gutem Journalismus muss gelöst werden.

Wo sehen Sie neue Herausforderungen für den Journalismus? Fake News?

Fake News sind nichts Neues. Es gab schon immer Medien, die fehlerhaft berichtet und Geschichten aufgebauscht haben oder die politisch so tendenziös waren, dass über gewisse Fakten völlig verdreht berichtet wurde. Man denke nur an all die Skandale der Bild-Zeitung – oder an Religion: Was ist das Christentum anderes als Fake News? Und es gab schon immer Menschen, die alles Mögliche geglaubt haben, weil es ihnen gerade in den Kram passte oder es irgendein Bedürfnis befriedigt hat.

Im Grunde finde ich die Debatte über Fake News aber gar nicht so schlecht. Wenigstens wird jetzt wieder über journalistische Ethik geredet, alle interessieren sich plötzlich dafür. Dass sich breite Massen mit der Produktion von Journalismus auseinandersetzen war vor fünf oder sechs Jahren noch ganz undenkbar.

Ja, und die Aufgabe, die der Journalismus hat, ist klar: Er schützt die Demokratie. Ohne eine korrekte und freie Berichterstattung ist eine demokratische Gesellschaft nicht denkbar. Dazu braucht es ethische Grundlagen und Ressourcen. Letztere können allerdings nicht vom Staat kommen, sondern nur direkt von den Bürgern.

Janine Schweiger

Foto: Jörg Farys

51 Jahre alt, verheiratet, lebt seit 1985 in Berlin. 2005 begann sie, dort und in Europa als Erzählerin tätig zu sein. Seit 2009 bildet sie Interessierte in der Kunst des freien Erzählens aus. Dabei werden keine Märchen­texte auswendig gelernt und deklamiert, sondern eigene Erzählformen erarbeitet, um frei zu erzählen.

taz: Frau Schweiger, wie wird man Märchenerzähler*in?

Janine Schweiger:Um Erzähler*in zu werden, gibt es verschiedene Wege. Ich hatte das Glück, während eines Masterstudiums „Theaterpädagogik“ an der Universität der Künste in Berlin auf eine Jahrgangsleiterin zu treffen, die sich gerade intensiv damit befasst hat, das freie Erzählen als Kunstform zu vermitteln. Prof. Dr. Kristin Wardetzky hat dann über 6 Jahre an einem Projekt namens „ErzählZeit“ getüftelt, welches für viele Berliner Erzähler*innen ein gutes Honorar bietet, da wir dort für ein Schuljahr fest an einer Grundschule als Erzähler*in beschäftigt sind. Natürlich findet das Erzählen auch im Theater, in Kulturzentren oder auf Festivals statt. Andere Kolleg*innen suchen sich eine berufsbegleitende Ausbildung oder eine Meister*in und lernen dort das Erzählen.

Welches Märchen verbinden Sie mit meinland?

Als ich auf taz.meinland aufmerksam wurde, hatte ich spontan den Wunsch, das Märchen „Sechs kommen durch die ganze Welt“ zu erzählen, denn es zeigt, wie wichtig Zivilcourage ist. Der Soldat wird um seinen gerechten Sold betrogen und will sich fünf Freunde suchen, um dem König eine Lektion zu erteilen! Es ist wichtig, in diesen Zeiten sich selbst eine Meinung zu bilden und nicht blind alles so hinzunehmen, wie es gerade ist!

Welche Kraft haben Märchen für Sie?

Witzig – ich unterrichte seit Jahren an der VHS Hannover in der Grundausbildung für Erzähler*innen mit ebendiesem Titel: Die Kraft der Märchen! Immer wieder stelle ich fest, dass es nicht nur mir das Rückgrat stärkt, wenn ich mich auf die Kraft der Märchen einlasse – sondern auch den Zuhörern hilft es, mal einen Moment zu haben, wo alles möglich ist!

Matthias Berger

Foto: Stadt Grimma

Jahrgang 1962. Erstmals wurde er 2001 zum hauptamtlichen Bürgermeister von Grimma gewählt. 2008 ernannte ihn dann eine überwältigende Mehrheit zum Oberbürgermeister. Der Parteilose ist bekannt dafür, mit seinen Ansicht nicht hinterm Berg zu halten.

taz:Herr Berger, Ihnen zufolge muss man als Oberbürgermeister„leidenschaftlich und etwas dickköpfig“ sein. Wie leidenschaftlich ist meinland?

Matthias Berger:Voraussetzung für die Art Beruf beziehungsweise Tätigkeit ist ein hoher Grad an Identifikation mit dem, was ich tue. Deshalb ist die Leidenschaft für den eigenen Ort als Bürgermeister unabdingbar. Dickköpfigkeit meint, eine Meinung zu haben und durchzusetzen. Leider ist es so, dass oft die besten Ideen zum Anfang die größte allgemeine Ablehnung erfahren. Hier muss man eben für seine Überzeugung manchmal „dickköpfig“ kämpfen.

Was bedeutet meinland für Sie?

In erster Linie sehe ich mich als Europäer, dann als Deutscher, dann als Sachse. Es gibt gewisse geschichtlich bedingte Prägungen, zu den man stehen sollte. Die Prioritäten dabei muss jeder für sich festlegen.

Sie sind Rechtsanwalt. Welche Rolle spielt für Sie die Justiz mit Blick auf meinland?

Genauso wichtig und prägend wie meine juristische Ausbildung war meine DDR-Armeezeit und meine Forstfachwirtausbildung. Diese Vielfalt an Lebensstationen ist ein riesiger Erfahrungsschatz, auf den ich als Bürgermeister gern zurückgegriffen habe. Die juristische Ausbildung hilft beim Überleben in unserem Verwaltungsrechtsstaat. Die Rolle der Justiz ist deshalb zunehmend bedenklich zu sehen, weil diese verstärkt die Rolle der Politik übernimmt, indem sie durch ihre Entscheidung in die der Politik eingreift. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob bei Prozessdauern von über zehn Jahren von einem funktionierenden Rechtsstaat die Rede sein kann.