Jukebox

Raus aus den Kisten! Rettet Esther und Abi Ofarim!

Hat sich überhaupt schon mal jemand Gedanken gemacht, wie in Zukunft die Flohmärkte beschaffen sein sollen, wenn das Musiksammeln nur noch im digitalen Datenverkehr abgewickelt wird? Und was das dann für die Musik-Archäologie bedeutet? Wird wohl eher trübe Zukunft.

Ein Kollege hat mir vor kurzem eine CD gebrannt, mit den französischen Liedern von Esther Ofarim (die mit ihrem Ensemble übrigens am Samstag um 20 Uhr im Potsdamer Nikolaisaal spielt). Eine schöne Sache, die aber gleich wieder weitere Fragen aufwarf, weil nun eben auch die Originale besorgt werden mussten. Also die echten Scheiben in den wirklichen Schallplattenhüllen aus den Sechzigern. Das ist der Fetischcharakter, und gegen den kann ein Sammler halt gar nichts machen, und immerhin eine von diesen französischen Ofarim-Platten habe ich auch bereits gefunden. Auf dem Flohmarkt. Und zwar dort, was ich mal als die Beletage des Trödels bezeichnen will. Das sind die Plattenstände, an denen in bequemer Greifhöhe die Ware in ordentlichen Kisten angeboten wird. Das hat seinen Preis. Hier handelt man in der Regel mit Händlern, die den Wert ihrer Ware durchaus kennen und nur ungern eine Erstausgabe einer Beatles-Single für einen Euro rausrücken, nur weil ein kleiner Kratzer drauf ist.

Wer es billiger haben will, muss dafür schon auf die Knie gehen. Runter zu den Grabbelkisten, um dort in speckigen, abgegriffenen Scheiben der Ein-Euro-Kategorie zu wühlen. Hier sammelt sich das herabgesunkene Kulturgut. Getretenes und herumgestoßenes musikalisches Lumpenproletariat. Das ramponierte Spiegelbild der deutschen Sozialgeschichte mit seiner Musik zur Schrankwand. Die musikalische Eiche rustikal: James Last findet sich hier immer, Heino, Heintje, diese Heuler. Und zwischendrin in schöner Regelmäßigkeit eigentlich auch stets die deutschen Platten von Esther & Abi Ofarim, meist in irgendwelchen Buchclub-Sonderausgaben, die die Kindergeneration in ihrem Unverstand nicht aus den Sammlungen ihrer Eltern herausgeklaubt haben. Was jetzt aber nachgeholt werden muss, weil diese zarten Lieder einfach nicht in diese Kisten gehören. Die brauchen den Schutz einer sorgfältig gepflegten Sammlung.

Also raus auf die Flohmärkte der Welt und Ofarim-Platten retten. THOMAS MAUCH