Rebellion in Strickjacken

Die australische Gang der Blackburn South Sharps erfand so einiges, was später Mode wurde. Ihr Anführer Larry Jenkins hat die Jungs beim alltäglichen Abhängen fotografiert

Die Bären im Freigehege am Ende der Wallstraße sind nicht so leicht aus der Reserve zu locken. Gern liegen sie einfach rum, knabbern an frischen Ästen und dösen gemütlich. Um ein Foto mit einem posierenden, großen braunen Ex-DDR-Bären zu bekommen, muss man schon heftig mit den Armen rudern. Muss irgendwie provozieren. Provoziert haben auch die australischen Blackburn South Sharps, die in den Siebzigern eine der „berüchtigten“ Straßengangs von Melbourne waren.

Larry Jenkins, Mitglied oder sogar Anführer der Gang, damals Mechanikerlehrling, hat seine Boys 1975 und 76 mit einer einfachen Kleinbildkamera abgelichtet. Beeinflusst war er von den Western, die die Jungs vom Autokino kannten. Was vor der Kamera zu einer Art Coolness-Wettbewerb führte. Die Bilder wurden seit 2001 an mehreren Orten in Australien gezeigt. Jetzt sind sie in der Australischen Botschaft in der Wallstraße zu sehen.

Es sind Fotos von Jungs, die lässig überm Zaun vom Postamt hängen, vorm Bottle-shop Witze mit der Wandreklame inszenieren oder sexy wie Schwulenikonen in knappen, aber um so pralleren Jeansshorts ihre stählernen Oberkörper und breiten Machobeine spreizen. So süß die Jungs auch wirken, sie waren damals wohl verdammt gefürchtet in ihrer Hood. Heute könnte man sie für Werbemodels halten – für Strickjacken, zu kurze Hosen oder schwarze Kurzfrisuren.

Gewalt strahlen die Jungs jedenfalls kaum noch aus, man freut sich schon über ein nebenbei getragenes Gewehr, das im Wald womöglich zu Schießübungen benutzt wurde. Klasse sind die Titel der Fotos: „Brothers Chad and Bill going to the tatooist in town“ zeigt zwei vielleicht Fünfzehnjährige mit den Händen in den viel zu hoch sitzenden Jackentaschen, beide das linke Bein ausgestellt, damit Socken und Schuhe besser zum Vorschein treten. Die Gesichter sehen fast ängstlich aus, als hätten Chad und Bill Schiss, beim Tätowieren fies gequält zu werden. Leider hat Jenkins sie weder bei der Piekserei selbst noch die späteren Tattoos aufgenommen.

Als Vorläufer der Sharp Skins waren die Sharps schon früh, auch aus Ablehnung der viel zu soften Hippies in ihren wallenden Batikklamotten, auf dem härteren Modetrip. Die Jacken waren aus feinem Strick, streifig oder kariert und eng. Sogar den heute so nervigen Männerohrring – Jan Ullrich! – haben die Australier miterfunden. Zunächst ließ man sich nur links ein Loch stechen, später beide Ohren, dann gern zwei links, eins rechts. Entsprechend gucken die Jungs auf den Fotos meist geradeaus oder nach rechts, sodass man das linke Ohr sieht. Besonders schön zu sehen auf „Bill and Flo on the totem pole at Blackburn fish and chip shop“ – der Totem Pole ist ein Schilderpfahl, den Bill und Flo zärtlich umarmen. Auf dem stehen mit Filzer alle Namen der Gangmitglieder.

Überhaupt sind die Bilder nur auf den ersten Blick spontan. Kommentare, auch Reflexionen der plumperen Art hat Gangkünstler Jenkins über Wortbotschaften im Hintergrund eingebaut. Als Bill, Jono, Beatle und Chad vorm Supermarkt auf einem Mäuerchen abhängen, steht groß „No Exit“ über ihren Köpfen. Etwas subtiler und lustiger ist das zweimalige Auftauchen einer „Womens Lockers“-Schrift auf der Turnhalle, vor der man wie zum Klassenfoto steht.

Mädchen wollten die Sharpies ganz sicher mit ihrer Strickmasche beeindrucken – auf den rund 50 Fotos ist aber keine einzige Frau zu entdecken, die die Kerle bewundern würde. Im Gästebuch steht übrigens „Stay rude – stay rebel“, „wie früher, großartig“, nur einer hat Probleme mit den Bildern: „ … aber die Schärfe?“ Was wohl für coole Fotos entstünden, wenn die Bären um die Ecke der Botschaft sich gegenseitig und ihre Zaungäste fotografieren könnten. ANDREAS BECKER

„Sharpies by Larry Jenkins“, bis 20. 10., Mo.–Do. 9–17, Fr. 9–16 Uhr, Australische Botschaft, Wallstraße 76–79 (Ausweis mitnehmen!)