Rosa Hemden im Armageddon

Golf Nach den US Open gibt es seltsames Gemecker: Zu leicht sei der Platz gewesen, zu viele Rekorde gebe es. So ein Blödsinn

Auch ohne rosa Hemd ein bisschen Endzeitschlacht: US-Open-Sieger Brooks Koepka und viel Dreck Foto: ap

von Bernd Müllender

Die Rekorde für die US Open bei der 117. Austragung purzelten nur so: Gleich drei Spieler hatten schon bis Freitagabend jeweils eine Runde mit sieben Schlägen unter Platzstandard gespielt. Das gab es nie. Samstag schaffte der US-Amerikaner Dustin Thomas sogar eine 63: neun unter – für Spezialisten: das auch noch mit neun Birdies und einem Eagle. Rekord pulverisiert. Nie spielte jemand besser bei einem Major überhaupt. Nie gab es so viele Birdies (1 unter Par) und am Ende so viele Spieler, die durchschnittlich zu so guten Ergebnissen eingelocht hatten. Und dann stellte der Gewinner Brooks Koepka, 27, ein Kraftpaket aus West Palm Beach in Florida, auch noch den Gesamtrekord für vier Tage ein: -16.

Nun ist Golf, ob für Wiesenhacker oder Profis, ein Spiel der Demut. Der Platz spielt dich, so das Mantra, nicht du ihn. Nie kannst du ihn zwingen und bezwingen, sondern nur dich einlassen – oder halt untergehen. Und weil Rekorde eine zweischneidige Sache sind, setzten die Debatten schon ein, als die Spieler noch unterwegs waren am Sonntagabend: Dieser Platz ist zu leicht! Einer US Open nicht würdig. Da muss es doch ein Kampf sein gegen die Magie bälleschluckender Abseitigkeiten, möglichst eng, voller gemeiner Baumhindernisse und Wässer und am besten auch ekelhaft widrige Wetter, kurz: Bei den US Open, die gern das Etikett des schwersten Turniers weltweit tragen, muss man auch als überragender Profi leiden, in die Vorhölle des Untergangs geschickt werden. Und nur wer dem Armageddon mit passablem Spiel angeschlagen entkommt, kann ein echter Sieger sein.

Die Anlage in Erin Hills war lang wie nie (über 7.100 Meter). Sie war gesäumt gewesen von teils hüfthohem Fescue-Gras, in dem nur halbe Rickie Fowlers oder Sergio Garcias beim Notschlag herausragten, und es fegten besonders am Schlusstag heftige Winde über die Weiten Wisconcins. Das zu leicht? Man frage mal bei den Branchenfürsten nach. Noch nie seit Erfindung der Weltrangliste 1986 waren die drei Rangbesten am Cut Freitagabend gescheitert. Und Dustin Johnson, Rory McIlroy und Jason Day taten das ohne Sang und ohne Klang mit Abstand. Sie wurden ins freie Wochenende begleitet von anderen Majorsiegern der jüngeren Vergangenheit wie Danny Willett, Henrik Stenson, Jimmy Walker.

Andere Mitfavoriten durften bis zum Sonntag weit abgeschlagen hinterherspielen: Exchampion Jordan Spieth (Sieger 2015) und Martin Kaymer (2014) – beide endeten mit 17 Schlägen Rückstand auf Rang 35. Sergio Garcia, der aktuelle Masters-Meister: auch hintendran ohne Siegchance wie Zach Johnson, Patrick Reed, Paul Lawry, Rafa Cabrera Bello. Auf den ersten 16 Plätzen lagen vor der Schlussrunde nur Außenseiter, die noch nie ein Major gewonnen hatten.

Golf ist ein Spiel der Demut. Der Platz spielt dich, nicht du ihn

Hinter Champion Brooks landete auf Platz 2 Hideki Matsuyama mit vier Schlägen Rückstand als bestplatzierter Japaner ever, gefolgt von einem Brian Harman, dem wildmähnigen Engländer Tommy Fleetwood und Xander Schauffele. Der Platz hatte eine einfache Logik: Wer die geraden Wege nicht verlässt, hat es komfortabel; wessen Feinjustierung hakt und Länge durch schiere Kraft kompensieren will, geht ins Nebenan, dem häufigen Habitat der Topstars.

Gern wird gemeckert, zu leichte Plätze lassen große Meisterschaften am Ende zu Putting-Wettbewerben auf den Grüns verkommen. Unfug: Sieger Brooks Koepka war in der Putting-Statistik gerade mal 51ster. Sicher aber ist: Wenn Golf Maßstäbe für die Herrenmode setzt, stehen uns seltsame Zeiten bevor. Auffällig viele rosa Hosen und Hemden dominierten das Geschehen. Koepka immerhin trug saftiges Hellgrün.

Für die letzten sieben Major-Gewinner war der Sieg eine Premiere. Die Elite schwingt derzeit also hinterher. Brooks Koepka sprang in der Weltrangliste von Position 22 auf 10. „Das beste Gefühl der Welt“, spürte er in sich und meinte auf seine höfliche Art: „Das nächste Ziel? Das nächste Major gewinnen!“ Und: „Am besten einige!“ Ab sofort darf sich Koepka bei gescheiterten Cuts zu den gedemütigten Mitfavoriten zählen. Nächste Gelegenheit: Die 146. British Open im Juli in Royal Birkdale.