Auf ins Experiment

Mit dem tesla hat Berlin vor einigen Monaten ein Kunsthaus erhalten, in dem die künstlerische Arbeit durch neue Technologien im Mittelpunkt steht. Die neue Leitung setzt nicht auf das große Event, sondern auf langfristige Förderung der Künstler

VON MEIKE JANSEN

Die Fotografie, das neue Medium des frühen 19. Jahrhunderts, feiert gerade ihre x-te Renaissance. Doch für die gegenwärtigen Entwicklungen in der Medienkunst wird es eng in Berlin. Neben einer überschaubar gewordenen Anzahl an Orten wie dem Ausland in der Lychener Straße oder dem nbi haben sich in der Stadt eher audiovisuelle Themenparks etabliert, bei denen Kommerz und nicht künstlerische Strategien im Vordergrund stehen.

Jenseits dieser Clubszene, die vor allem in den 90er-Jahren pulsierte, dominieren wenige herausragende Events das Genre. In der Akademie der Künste beispielsweise ist den so genannten neuen Medien zwar immer ein Plätzchen sicher. Und auch der Weltfußballverband Fifa kooperiert zur WM mit den Berliner Festspielen, die, nach dem Erfolg 1996, im kommenden Jahr mit der 2. Sonambiente zur nächsten großen Bestandsaufnahme von Klangkunst schreiten. Einem Bereich, in dem auch die meist entwicklungsintensiven neuen Technologien im Mittelpunkt stehen werden. Die Bundeskulturstiftung erhob bereits 2004 das Medienkunstfestival transmediale zum kulturellen Leuchtturmprojekt.

Neben dieser Eventisierung wackeln die wenigen Plattformen, auf denen kontinuierlich Entwicklung betrieben wird. Auch die Technische Universität, die mit ihrem elektronischen Studio eine der wichtigsten Bindeinstitutionen zwischen Kunst und Wissenschaft ist, leidet unter ständig schwindenden Zuwendungen.

Seit Ende April leistet sich das Land Berlin nun mit dem tesla ein Produktionshaus, das dem hiesigen Medienkunstgeschehen eine stabilere Basis verleihen soll. Die Umstrukturierung des einstigen Podewil an der Klosterstraße in Mitte ist aber von der Öffentlichkeit fast unbemerkt geblieben. Denn das neue Leitungstrio mag es eher unglamourös. Carsten Seiffarth, Detlev Schneider und Andreas Broeckmann setzen auf Projektförderung mit flexiblen Zeitrahmen, Werkstatt-Ausstellungen und begleitende diskursive Workshop-Veranstaltungen. Dabei steht nicht das fertige Produkt, sondern der künstlerische Entwicklungsprozess im Rampenlicht. Die Arbeiten der Stipendiaten, die vom tesla gefördert werden, müssen am Ende der Projektzeit nicht einmal präsent sein. So bietet sich eventverwöhnten Augen ein ungewohnter Anblick, wenn diese in ein Studio mit unbekannter Technik und komplexen Konzepten blicken, die, selbst wenn sie von einem charmanten Menschen wie dem norwegischem Künstler HC Gilje erörtert werden, viel Raum für Spekulation lassen. Aber gerade dieses offene System fasziniert.

Das Haus selbst wirkt trotz nahezu täglichem Programm nicht besonders lebendig. Das liegt vor allem daran, dass das tesla lediglich ein Drittel der Räume des Podewils’schen Palais bespielt. Diese Masse an Platz kann auch die Videoleinwand mit der gemütlichen Sitzgruppe im Foyer kaum füllen. Erst einmal in den bequemen Sesseln Platz nehmend, vergisst man aber im gleichmäßigen Flow der dahingleitenden urbanen Landschaften von Gudrun Kemsa schnell die fehlenden, vielleicht gar störenden Ströme von BesucherInnen.

Knapp bemessen sind auch die Finanzen des Medienkunsthauses. Rund 470.000 Euro stehen der tesla-Leitung im Jahr zur Verfügung. Das hört sich viel an, ist es aber nicht. Andreas Broeckmann weiß das aus eigener Erfahrung. Seit Jahren ist er auch für die Transmediale zuständig. Das Medienkunstfestival erhält etwa die gleiche Summe, ist aber lediglich für ein viertägiges Programm verantwortlich.

Neue Technologien haben eben ihren Preis. Wenn also, wie im Juni, die renommierte japanische Performance-Gruppe Dumb Type im Kubus, dem ehemaligen Theater des Podewils’schen Palais, ihre aufwendige Installation zeigt, hat das tesla schnell ein Großteil seines Ausstellungsbudgets aufgebraucht. Internationale Projekte sind aber für die Vernetzung zwingend erforderlich. Nur so kann wichtiger Austausch über Wissen, Produktionsmittel oder die Erstellung gemeinsamer Finanzierungskonzepte gewährleistet werden.

Als das tesla-Team Anfang des Jahres den Zuschlag erhielt, konnte der Senat noch kein konkretes Jahresbudget benennen. Seiffarth, Schneider und Broeckmann hatten mit mehr als den später zugestandenen 470.000 Euro gerechnet. Umso größer war die Enttäuschung, als gerade für die ersten acht Monate keines der beim Hauptstadtkulturfonds eingereichten Projekte gefördert wurde. Auch die vom tesla wie vom Senat gewünschten Umbaumaßnahmen stagnieren. Sie sollen aber bis Ende des Jahres realisiert werden, um neben attraktiveren Räumen vor allem selbstbewirtschaftete Orte zu schaffen. Denn das bestehende Café wurde vom Land bereits im Frühjahr an Betreiber aus Kabarettkreisen verpachtet. Die sprechen ein ganz anderes Publikumssegment an. Mit Synergieeffekten ist da nicht zu rechnen, dabei wäre dies in der abgelegenen Klosterstraße wichtig, um Publikum vom nahen Alexanderplatz anzuziehen.

Carsten Seiffarth müht sich derweil um die Finanzierung seines nächsten Projektes. Er hätte gerne eine Haushaltskaffeemaschine für das Büro. Selbst solch kleine Beträge dürfen nur auf Antrag ausgegeben werden. Schon Anfang der 90er-Jahre hatte der Senat die BKV, eine eigene Kulturveranstaltungs-Gesellschaft, gegründet, über die fortan auch zunächst das Podewil betreut wurde. Nun nutzt auch das tesla – eher ungewollt – diese Struktur zur indirekten Abrechnung mit dem Senat. Zudem muss im bestimmten Rahmen auf das Personal der BKV zurückgegriffen werden. Das ist nicht immer einfach, denn es wurde noch zu Zeiten des Theaterbetriebs eingestellt. Flexibilität darf nicht vorausgesetzt werden.

Es könnte einiges besser laufen. Das streitet Carsten Seiffarth gar nicht ab. Aber so ein Produktionshaus muss wachsen, dazu brauchen alle Beteiligten Geduld, Spucke und Mut zum Experiment. So kann die Medienkunstszene nicht wirklich jubeln, aber sie darf sich schon ein wenig freuen.