piwik no script img

Finale für Bülent ÇiftlikProzess geht zu Ende

Nach sieben Jahren fällt heute das Urteil im Verfahren gegen den früheren SPD-Hoffnungsträger Bülent Çiftlik. Es geht um mehr als die Vermittlung einer Scheinehe

Gehen bald wieder getrennte Wege: Bülent Ciftlik und seine Anwälte Foto: Christian Charisius/dpa

Wenn der Vorsitzende der 6. Strafkammer des Landgerichtes, Heiko Hammann, heute sein Urteil verkündet, ist Schluss. Dann geht die siebenjährige Justizposse um den ehemaligen Sprecher der Hamburger SPD und Bürgerschaftsabgeordneten Bülent Çiftlik zu Ende. Der heute 45-Jährige soll einem türkischen Freund eine Scheinehe vermittelt haben, um dessen Aufenthalt in Deutschland zu sichern. Zudem soll er Beweise manipuliert und Zeugen beeinflusst haben, um für die Anbahnung der Scheinehe nicht verurteilt zu werden. Und solche Manipulationen wiegen strafrechtlich viel schwerer als der ursprüngliche Vorwurf.

Nachdem die Staatsanwaltschaft dreieinhalb Jahre Gefängnis gefordert hatte, plädierte Çiftliks Verteidigung am vergangenen Freitag erwartungsgemäß auf Freispruch. Çiftliks AnwältInnen haben „erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit“ der Hauptbelastungszeuginnen Nicole D. und Constanze K. Aus ihrer Sicht haben sie Çiftlik aus verschmähter Liebe zu Unrecht belastet.

Besonders Constanze K., die sich lange „mit aller Macht eine Beziehung“ zu Çiftlik gewünscht und sogar dessen Verlobung mit seiner heutigen Ehefrau lange Zeit „gänzlich ignoriert“ habe, hätte eine schon „wahnhaft anmutende Vorstellung“ entwickelt, sie sei mit dem Angeklagten „zusammen gewesen“, hieß es im Plädoyer. Deshalb habe möglicherweise sie – und nicht Çiftlik – im erstinstanzlichen Verfahren Beweismittel manipuliert, um ihren Angebeteten zu schützen.

Constanze K. habe, so die Verteidigung, etwa die Möglichkeit gehabt, zwei E-Mails, die angeblich von Nicole D. stammten und mit Hilfe einer Computer-Spyware in deren E-Mail-Account platziert wurden, zu fälschen. In diesen Mails hatte sich Nicole D. selbst bezichtigt, Ciftlik zu Unrecht belastet zu haben – sie waren ihr aber wie ein Kuckucksei untergeschoben worden.

Das Verfahren

Das einzige Urteil gegen Bülent Çiftlik wegen der Scheinehe-Vorwürfe fällt im Juni 2010. Das Amtsgericht St. Georg verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro. Er muss die SPD-Bürgerschaftsfraktion verlassen.

Nach 16-monatiger Verhandlungsdauer platzt dann am 6. Juni 2013 vor dem Landgericht in Hamburg das Hauptverfahren gegen Çiftlik, weil dieser nach einem Autounfall von den Behörden in Indien festgehalten wird. Mittlerweile geht es in dem Verfahren auch um den Vorwurf, Ciftlik habe Beweismittel und Zeugenaussagen manipuliert.

Zur dritten Auflage des Verfahrens gegen den Ex-SPD-Mann kommt es im Oktober 2015. Seither wird verhandelt. Heute soll das Urteil fallen.

„Ich glaube, es ist alles anders gewesen, als die Anklage es beschreibt“, sagte Verteidigerin Gabriele Heinecke am Freitag im Plädoyer. Ihre Version der Taten sei „weniger lebensfremd.“ Denn dass Ciftlik mit so plumpen und einfach zu durchschauenden Manipulationsversuchen oder auch durch die Anbahnung einer Scheinehe „Kopf und Kragen riskiert“ habe, sei absolut „lebensfremd“. Zudem gäbe es in den Aussagen von Constanze K. „zu viele Ungereimtheiten“.

Noch kurz vor ihrem Plädoyer hatte Heineckes Kollege Florian Melloh ein psychologisches Gutachten über Constanze K.s Ausführungen während des Prozesses beantragt, war damit aber bei den Richtern abgeblitzt. Nichts anderes als Kaffeesatz-Lesereien seien die Spekulationen der Staatsanwaltschaft. „Das reicht nicht aus“, schloss Heinecke ihr Plädoyer. „Zusammenreimen ist keine Grundlage für eine Verurteilung.“

Çiftlik selbst hat im gesamten Verfahren geschwiegen und verzichtete auch auf das Schlusswort, das ihm als Angeklagten vor Gericht zusteht. Das Gericht muss nun entscheiden, für wie stichhaltig es die Indizien gegen ihn hält. Davon allein hängt ab, ob Çiftlik, der heute ein Lokal in Ottensen betreibt, demnächst für mehrere Jahre hinter Gitter verschwindet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!