geschafft: eintänzer in der fischbratküche von WIGLAF DROSTE
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Berlin hatte Popkomm im Endstadium. Kollegen, die aus beruflichen Gründen anwesend sein mussten, bedauerten sich schon Wochen vorher: „Bah, all diese ekligen Dummrumsteher, die Professionalitätsdarsteller, und wie die reden, mit diesem Englisch für Kranke, aaah.“ So tönte es aus manch gutem Mann, und wer es vermochte, mied den peinigenden Auftrieb der Tim-Renner-Sorte Mensch.

In Mecklenburg schimmerte die Welt im Zustand völliger Ereignislosigkeit. Hin und wieder zwar ruckte der eine oder andere eckige Kanute über den See, aber in erster Linie war Sabbat. Im Fallada-Museum in Carwitz stieg der ehemalige Leiter der Anstalt, Manfred Kuhnke, in die Bütt und stellte sein jüngstes Buch vor: Erinnerungen an, wie es hieß, „seine Pasewalker Zeit“, klassenfahrtsanekdotengesättigt und exakt der Stoff, aus dem die Lehrerträume sind. Wer fließend „meines Erachtens“ und „hochinteressant“ sagen kann, wird auch an diesem Pasewalk on the wild side seine Freude haben.

Geräusch gab es so gut wie keines, allein der Rasenmäher sang in der Nachbarschaft mehrfach sein schrappiges Lied. Schwieg dieses akustische De-Sade-Programm, wurden die Tage mit Schlaf, Lektüre, Schwimmen im See und dem Aufessen von Pflaumenkuchen kompetent vertrödelt. Vorbildlich menschenleere, leider aber auch pilzarme Wälder ließen sich bereitwillig durchzockeln, am Abend bot der Mecklenburger Wild in landesüblich gewaltigen Quantitäten an, reichte Bier oder briet Fisch.

Plötzlich aber zuckte Ehrgeiz auf im Feldberger. Die „1. Feldberger Kneipen- und Musikmeile“ wurde aus dem Boden gestampft: In gleich acht Gaststätten der kleinen Stadt wurde Livemusik geboten, gegen die einmalige Zahlung von fünf Euro konnte der willige Mensch das alles bekucken. Im Hotel „Deutsches Haus“ brachten zwei Halunken mit dem Namen „Country Brüder“ zusammen etwa 17 Promille und entsprechendes Liedgut auf die Bühne und nöddelten „Hallo, guten Morgen, Deutschland“. Eiligkeit fuhr uns in die Füße.

Doch wurde alles gut in der „Fischgaststätte Asmuss“, wo in den letzten Jahren schon mancher schicke Fisch in mich hinübergewandert war. Hier spielte das Trio Fieldmountain um den Bassisten Reiner „Charlie“ Stöhring und ließ alle Popkommhaftigkeit von Feldberg abfallen. „Kling-Klang“ von Keimzeit ertönte, auch Lindenbergs großer Satz „Ich geh mit dir durch dick und dünn, aber nicht durch dick und doof“, und dann wurde ein Traum wahr: Wenn Verwandte mich als Siebzehnjährigen mit der Frage genervt hatten, was ich denn einmal „beruflich machen“, respektive also „werden“ wolle, hatte ich pubertär-pampig zur Antwort gegeben: „Eintänzer in der Fischbratküche!“

In der „Fischgaststätte Asmuss“ in Feldberg, zur Musik von Reiner „Charlie“ Stöhring und Fieldmountain, wurde ich es: Eintänzer in der Fischbratküche. Zu den Klängen des dampfenden Rock ’n’ Roll schwang ich meinen wuchtigen Leib und den zarten Körper der Süßen hin und her, bis auch andere der pulsierenden Rhythmik der Band nicht mehr widerstanden. Ausgepumpt und glücklich ließ ich mir eine Feldberger Fischsuppe geben und schickte in Gedanken einen Gruß nach Berlin: Pop, komm du mir na’ Hause!