Geballter Volkszorn auf dem Betze

Der FSV Mainz 05 gewinnt ausgerechnet im Derby beim 1. FC Kaiserslautern sein erstes Spiel in dieser Saison

KAISERSLAUTERN taz ■ Der Abend war schon alt geworden, als die Mainzer Fußballer ein letztes Mal einen langen Anlauf nahmen. Wieder rutschten sie bäuchlings ihrer Fangemeinde entgegen, noch einmal führten sie ihr Tänzchen auf. Befreit gaben sie sich allesamt, und gerade so, als hätten sie die deutsche Meisterschaft gewonnen. Dabei hatten die Nullfünfer doch nur zwei Tore erzielt im Derby beim 1. FC Kaiserslautern. Aber die bedeuteten nach fünf Niederlagen die ersten Punkte in dieser Saison, und deshalb tanzte mittendrin auch Jürgen Klopp, dieser verrückte Trainer der Mainzer. Später sagte er: „Wir kennen das Gefühl doch gar nicht mehr, wie es ist, wenn man drei Punkte auf einmal bekommt.“

Wie es ist, gegen eine Mannschaft zu verlieren, die bisher nichts gewonnen hat, bekam die Gegenseite zu spüren: Als einige Spieler des FCK all ihren Mut zusammennahmen und sich nach dem unverzeihlichen Gerumpel trauten, in die Westkurve zu winken, schlug ihnen von der zunächst ohnmächtig stillen Masse der geballte Volkszorn entgegen.

Schneller als ihm lieb sein kann, ist FCK-Trainer Michael Henke nun mit den Abgründen seiner Mannschaft konfrontiert und muss zeigen, dass er der Aufgabe gewachsen ist, ein solch fragiles Gebilde vor dem Auseinanderfallen zu bewahren. Henkes Realismus ist dafür sicher kein schlechter Ratgeber, im Kern seiner Analyse gab er sich schonungslos: „Das war ein Niederschlag. Mannschaft und Verein müssen nun zeigen, ob sie eine solche Situation durchstehen können“, sagte er. Schon vor zwei Wochen, bei der 1:5-Heimschlappe gegen Werder Bremen, waren dem FCK die Grenzen aufgezeigt worden. Nach dem Debakel gegen Abstiegskonkurrent Mainz aber wird selbst den Optimisten der gute Start mit Siegen gegen Duisburg und Köln blendend vorkommen. Sie können froh sein, bereits sieben Punkte zu haben. Henke wird vieles überprüfen müssen.

Dass es über die taktische Ausrichtung intern Diskussionen gibt, belegen die Aussagen von Halil Altintop. Der Angreifer wünscht sich, dass die Außenpositionen im Mittelfeld mit offensiveren Spielern besetzt werden und merkte an: „Das sieht der Trainer derzeit nicht so.“ Der türkische Internationale sprach Klartext: „Uns fehlt die Qualität, das Spiel zu machen.“ Um die Zahl derer zu verringern, die das Spielgerät nicht ganz so mitleidslos misshandeln wie die zu einem kontrollierten Spielaufbau unfähigen Abwehrspieler Hertzsch, Pletsch, Mettomo und Wenzel, wird Henke wohl auch in Erwägung ziehen, künftig mit Dreier- statt mit Viererkette zu spielen. „Beim 0:1 agierten wir wie in einem Trainingsspiel“, maulte Altintop. Als die Mainzer es in Halbzeit eins zum ersten und einzigen Mal schafften, den Ball dreimal hintereinander zum eigenen Mann zu spielen, war es geschehen: Michael Thurk köpfte am Ende des Stafettchens freistehend die Führung (38.). Druck konnten die Pfälzer in der zweiten Hälfte auch deshalb kaum entfachen, weil Ciriaco Sforza sich in der 44. Minute durch eine Grätsche von hinten auf Höhe der Mittellinie die rote Karte einhandelte. „Das war der Genickbruch“, haderte Henke.

„Mit einem Sieg wollte meine Mannschaft ein Zeichen setzen für die ganze Saison“, sagte Henke enttäuscht. Ketzer sagen: Genau das ist ihr gelungen. In Mainz bleiben sie derweil notorische Optimisten. Auch wenn in Überzahl kaum etwas gelang außer Auers 2:0 (90.), glaubt Manager Christian Heidel, „dass wir weiterhin gut beieinander sind“. Die Nullfünfer verließen zum ersten Mal in dieser Spielzeit den letzten Tabellenplatz. Heidel sagte mit dem nötigen Ernst eines Humoristen: „Wissen Se was? Siebzehnter ist auch Scheiße.“

TOBIAS SCHÄCHTER