piwik no script img

WARUM MEINE EHEMALIGEN GRÜNEN PARTEIFREUNDE EIN PROBLEM MIT DER WAHRHEIT HABENSo lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen

JULIA SEELIGER

Das Haus der Geschichte in Bonn zeigt einen alten Wahlkampfspot von den Grünen. Hoimar von Ditfurth macht da Werbung. Damals konnte man den Grünen noch vertrauen. Sie waren ehrlich und setzten sich für die Umwelt ein. Und für Solidarität und Frieden unter den Menschen und unter den Tieren.

Doch der Traum ist aus. Ich weiß nicht, wie lange schon. Und jetzt werde ich von Grünen angegangen, als wäre ich Jutta Ditfurth, die Tochter von Hoimar. Die trat vor nun 20 Jahren aus der Grünen Partei aus. Damals, 1991, die große Fundi-Austrittswelle. Bis heute werden Linke in den und im Umfeld der Grünen als „Fundis“ bezeichnet. Ein Schmähwort, der Legende nach erdacht von Joschka Fischer.

Mit diesem Schmähwort wurde ich jetzt von ehemaligen Parteifreunden auch bedacht. Weil ich mich in meinem Blog verwundert gezeigt habe, dass keiner was dazu sagt, dass die am Wochenende als Bundestagswahl-Spitzenkandidatin bestimmte Katrin Göring-Eckardt federführend war beim Vorantreiben der neoliberalen Gedanken, auf denen Hartz IV basiert. Gut, ich bezeichnete Göring-Eckardt als „neoliberale Betschwester“ – aber ist an dieser Zuspitzung nicht was dran? Was haben die Grünen denn gegen ein kleines bisschen Wahrheit? Und wenn sie das nun in dem Verfahren um die Spitzenkandidatur nun mal nicht beredet haben, darf man nicht danach mal dezent darauf hinweisen?

So sind sie eben, die ehemaligen grünen Parteifreunde. Herzlos und auf den eigenen Vorteil bedacht. Sind ja auch bald Listenaufstellungen, da will man es sich nicht mit der Basis verderben. Und für die Bundestagswahl im nächsten Jahr braucht es „Geschlossenheit“, nicht wahr?

Herzlos und unmenschlich auch der Umgang mit Claudia Roth. Die Parteisoldaten waren sich nicht zu schade, Claudia Roth mit einem „Candystorm“ bei Twitter zu motivieren, noch mal für den Bundesvorstand zu kandidieren, obwohl man sie am Samstag bei der Wahl zur Spitzenkandidatin abgemeiert hatte. Merken die noch was?

Ein sexistisches Verfahren, bei dem, wie mir welche in meinem Blog kommentierten, sogar damit argumentiert worden sein soll, dass Claudia Roth und Renate Künast keine Kinder haben. Hallo? Geht’s noch?!

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch Margarete Stokowski Luft und Liebe

Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei

Freitag Jürn Kruse Fernsehen

Montag Maik Söhler Darum

Dienstag Deniz Yücel Besser

Den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer fragt doch auch keiner, wie viel Zeit er damit verbringt, seinem Kind beim Sprechenlernen zuzusehen. Von den bei Claudia Roth üblichen, auch sexistisch interpretierbaren Diffamierungen als „Heulsuse“ und „schrill“ mal ganz abgesehen. Die frauenpolitische Sprecherin der Partei, Astrid Rothe-Beinlich, und die gesammelte Mädchenmannschaft von den Frauengremien der Partei sollten sich was schämen! Schön das Maul gehalten. Feministische Kritik? Fehlanzeige.

Ich weißle, ich weißle. Nein, diese Partei wähle ich bei der Bundestagswahl nicht. Ein Buch im Spätwerk Hoimar von Ditfurths heißt „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen“. Er bezieht sich auf Luther. Ich kenn mich aus mit Religion. Mag aber lieber Ton Steine Scherben und die Moooorgensonne schien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen