Die Wortkunde
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Den Begriff „Rochade“ für die aktuellen Personalverschiebungen bei der SPD zu verwenden ist reizvoll, aber nicht unproblematisch. Trotzdem tut es die taz („Die Rochade hat nur einen Nachteil“) wie die SZ („Sellerings Krankheit erzwingt eine Personalrochade“), und die FAZ schlägt dem Brett die Krone ins Gesicht („Die Personalrochade ist eine Notoperation“).

Problematisch ist die Wortwahl, weil bei diesem Spielzug des Schachspiels zwei Figuren ihren Platz wechseln, aber keine der beiden das Brett verlässt und die geräumten Positionen dementsprechend auch nicht von anderen Figuren besetzt werden. Zudem darf nicht rochiert werden, wenn der König im Schach steht oder nach vollzogener Rochade im Schach stehen würde. Interessant: Der Turm darf durchaus bedrängt sein oder über gefährdete Felder wandeln, weswegen die Rochade als „Königszug“ gilt. Allerdings dürfen König wie Turm im bisherigen Verlauf des Spiels noch nicht zum Einsatz gekommen sein, und bekannt ist, dass die Rochade nur einmal pro Partie auszuführen ist. Dass zwischen König und Turm keine andere Figur rumzulungern hat, ließen wir bislang ebenso außen vor wie die Tatsache, dass es eine kleine und eine große Rochade gibt, wobei, wenn der eine Turm schon gezogen wurde, die Option der Rochade mit dem anderen Turm bestehen bleibt.

Bei so mannigfaltigem Regelwerk liegt aber eben auch die Faszination des Begriffs Rochade für den Leitartikel auf der Hand. Wer mag hier Turm sein, wer König? Ist für die Partie Bundestagswahl jetzt ausgereizt, was die SPD zu bieten hatte? Durfte überhaupt rochiert werden, solange Bauer Oppermann im Weg steht? Ist nicht bei der SPD der König grundsätzlich im Schach? Und was, um zur Hauptfrage zu kommen, macht eigentlich das schwarze Gegenüber am Brett, das ja nun am Zug ist? Die Rochade, muss man sagen, ist eben allzu oft nur ein Verlegenheitszug – außer natürlich: bei Profis. Ambros Waibel