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: Einmal in der Woche ist zu wenig

Keine Kultur, kein Geschmack, kein Herz: Sexuelle Enthaltsamkeit ist dem Fortschritt Deutschlands abträglich

Auf ein Wort wider die Überflüssigkeit von Statistiken: Nicht nur, dass diese die Deutschen regelmäßig im hinteren Drittel des europäischen Durchschnitts verorten, wenn es um die Häufigkeit in Sachen Sex geht. Jüngst hat eine Online-Umfrage der Zeitschrift Men’s Health darüber hinaus ergeben, dass jeder achte Mann in Deutschland lieber auf ein Bier in die Kneipe als mit einer hübschen Frau ins Bett geht.

Eingedenk der Freud’schen Erkenntnis, die Geschlechtlichkeit des Menschen sei die alleinige Kraft, die ihn zu Höherem antreibe, der Sexus also Kulturbegründer schlechthin, sind diese statistischen Ergebnisse Grund genug, die Stirn in Falten zu legen. Deutsche Männer packt anstatt Wollust offensichtlich vermehrt die Unlust, und sie haben das Denken in Kategorien des Minimalprinzips auf die Spitze getrieben. Wozu den Gipfel des Genusses im Schweiße des eigenen Angesichts erklimmen, wenn bequem im Sitzen getrunkene Biere auch ohne Vorspiel die gleiche Wirkung erzielen? Der Griff zum Glas ist da nur folgerichtig.

Ärgerlich allerdings bleibt, dass deutsche Männer und Frauen gleichermaßen mit ihrer leibseelischen Abstinenz, so eine weitere Statistik, auf einen verbesserten Geschmackssinn und auf ein um die Hälfte reduziertes Herzinfarkt-Risiko verzichten. Keine Kultur, kein Geschmack, kein Herz: Sexuelle Enthaltsamkeit ist dem Fortschritt Deutschlands somit in dreifacher Hinsicht abträglich. RETO GLEMSER