Budget geplündert

Schwere Vorwürfe gegen hohe Politiker von Serbien und Montenegro. Krise beschleunigt Staatszerfall

BELGRAD taz ■ „Ich werde nicht zuschauen, wie serbische Steuerzahler ausgeplündert werden“, donnerte vergangene Woche Serbiens Finanzminister Mladjen Dinkić. Er beschuldigte seinen Parteigenossen und Verteidigungsminister der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro (SCG), Prvoslav Davinić, der „Korruption“. Dem Bundespräsidenten, Svetozar Marovicin, warf er vor, in eine „300 Millionen Euro schwere Affäre“ verwickelt zu sein.

Die beiden sollen einen „schädlichen“ Vertrag über die Anschaffung „überflüssiger und zu teurer“ militärischer Ausrüstung mit der serbischen Firma „Produktion Mile Dragić“ unterzeichnet und Budget-Gesetze verletzt haben. Dinkić sprach von einer „Provision von rund 40 Millionen Euro“, die aus dem Budget Serbiens hätte kassiert werden sollen, und forderte die Staatsanwaltschaft auf, eine Untersuchung anzuordnen. Ein General, ein Oberst und ein Oberstleutnant befinden sich in Untersuchungshaft. Inhaftiert wurde auch Mile Dragić, Eigentümer der Firma für die Produktion militärischer Ausrüstung. Der Anklage zufolge soll er Spitzenpolitiker der Staatengemeinschaft, hohe Beamte des Verteidigungsministeriums und Offiziere im Generalstab mit „Millionensummen geschmiert“ haben.

Die Staatskrise könnte sich auch auf die Kommandokette der Streitkräfte übertragen. Der Verteidigungsminister trat zurück, ein neuer kann nur im Einverständnis mit Montenegro gewählt werden. Obwohl die Verfassungsurkunde der SCG vorsieht, dass der Verteidigungsminister ein Montenegriner sein soll, überließ Podgorica bisher Belgrad die Kontrolle über die Armee: die einzige gemeinsame serbisch-montengrinische Institution, die Armee, wird aus dem serbischen Budget finanziert.

Während in Belgrad totale Konfusion herrscht, zuckt man in Podgorica mit den Achseln. Marović, ein hoher Funktionär der in Montenegro regierenden Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS), wies alle Vorwürfe zurück. Die Regierung in Podgorica stellte sich hinter Marović. Da er ohnehin spätestens im Frühjahr ein Referendum über die Unabhängigkeit ausschreiben möchte, kann Montenegros Premier, Milo Djukanović, die jüngste Krise nur recht sein.

Anders geht es seinem serbischen Kollegen, Vojislav Koštunica, der sich für den Erhalt der SCG einsetzt und den Verhandlungen über den Status des Kosovo bevorstehen. Die SCG ist auf Druck der EU entstanden, um weitere Desintegrationsprozesse auf dem Balkan aufzuhalten. Das Staatsgebilde war zum Scheitern verurteilt: Das Zoll- und Banksystem waren ebenso getrennt wie Justiz, Polizei, das Bildungs- und Gesundheitswesen. Die Republiken haben verschiedene Währungen und sollen separate Beitrittsverhandlungen mit der EU führen. Die jüngste Affäre dürfte den Zerfall der SCG beschleunigen. ANDREJ IVANJI