Der Tod und das Speiseeis

GIRLROCK Die neue Kate Nash zeigte sich vor dem jung bleibenden Publikum im Magnet Club nicht mehr als liebes Mädchen, sondern als cool und erwachsen

Manche Dinge ändern sich eben doch: Jeanshemden sind wieder en vogue, Montage sind gute Tage, zumindest für Konzerte. Auch auf der Bühne tut sich was, jedenfalls an diesem Montag im Magnet Club an der Oberbaumbrücke. Nach der Zickenviertelstunde Verspätung und nach einer eher grausamen Vorstellung einer französischen Sängerin als Support Act kommt die neue Kate Nash: Die braune Mähne ist verschwunden, das liebe Mädchen ist nicht mehr lieb. Kate Nash ist jetzt cool, sie wird erwachsen, und das jung bleibende Publikum im Magnet Club schaut ihr irritiert dabei zu.

Die Londonerin, die als Rock-Alternative zu Lilly Allen gilt, ist inzwischen 25 und frisch getrennt. Im gut gefüllten Club stellt sie ihr neues Set vor: Die nächste Platte kommt erst noch, aber die Songs sind schon da. Auch das tut gut: Inklusive Zugabe spielt sie genau drei alte Stücke, darunter „Foundations“, mit dem sie fast einmal die Spitze der englischen Charts gestürmt hätte. Sie hat die Bangles als Begleitband, ist im schwarzen Dress gekommen, die Haare vor Monaten schwarz gefärbt, die Farbe wächst schon wieder heraus. Die Keyboards und das Klavier sind von gestern, sie spielt hier Rockmusik, und das Coolste ist, dass sie oft selbst den Bass spielt. Den Bass mit Fuzz.

Links und rechts wird sie von zwei Gitarristinnen mit Rockmähne unterstützt, hinten trommelt eine dunkle Langhaarige, und über die kleinen Monitore, die wie Fünfzigerjahre-Mikrowellen aussehen, laufen Betty-Page-Clips. Ihre neuen Songs sind immer noch besser als die ihres Exfreunds Ryan Jarman von der Indie-Band The Cribs und auch besser als die ihres Bruders, der bei Bombay Bicycle Club spielt. Sie klingen, als habe Nash sich in den letzten Jahren sehr viel Tarantino-Filme angeschaut und Riot-Grrrl-Grunge Marke Hole gehört.

Und trotzdem sind sie abwechslungsreich. Variieren das Tempo, gehen mal in die eine, mal in die andere Richtung. Ihre neue Single wird denn auch „Death Proof“ heißen. Mit den frühen, textstarken Girlie-Songs über die Schwierigkeiten, den Schwarm anzusprechen, oder das Heimweh am Hotelpool in der Karibik hat das neue Werk nicht mehr viel zu tun. Kate Nash hat sich den Zugang „Wut und Empörung“ erarbeitet; die Texte sind schlichter, dafür ausdrucksstärker geworden. Neben mir fragt man sich unter den Ponyfrisuren und über den Holzfällerhemden von H&M: Hat sie da eben „I maybe a feminist, but you are still a whore“ gesungen?

Am Schluss folgt sogar eine Hymne für „Pussy Riot“ und ein Halbcover namens „Girl Gang“, eine Variation auf den „Cocaine Blues“ von Escort: „Girl gang/ running around in my brain“. Das Süßliche hat sie natürlich immer noch – in der Stimme. Und dieses Süßliche und die Tatsache, dass Kate Nash ja wirklich gut singen kann, und das jetzt eben mit Kieksern, Flüchen und Gekreisch garniert – das macht die neue zu einer Kombination aus Speiseeis und Tod, die manchmal wie die Anführerin der Babes in Toyland (tolle Band, leider früh untergegangen) klingt. Kate Nashs Idee, süßlichen Girlpop Richtung Girlrock zu verschieben, ist kein Rohrkrepierer. RENÉ HAMANN