Die sabotierte Aufklärung

Geschredderte Neonazi-Akten

VON KONRAD LITSCHKO

Es ist ein doppelter Schaden, den die zweite Schredder-Affäre des Verfassungsschutzes angerichtet hat. Zwar war, als die Akten über das militante „Blood and Honour“-Netzwerk 2010 vernichtet wurden, noch nichts über die mordende Terrorzelle des NSU bekannt. Nur wurden diese nicht wie vorgeschrieben dem Landesarchiv angeboten, also rechtswidrig geschreddert.

Heute, da man vom NSU weiß, könnten die Ermittler darin vielleicht wertvolle Informationen finden. Denn Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt standen „Blood and Honour“ nahe, hatten dort ihre Bekannten. Und sie folgten genau der Parole der Musikrassisten: Auf zum bewaffneten Kampf!

Der zweite Schaden ist, dass Claudia Schmid, die Verfassungsschutzchefin selbst, über dieses Schreddern schwieg. Monatelang, auch auf der Parlamentssondersitzung am Freitag, die nur ein Thema hatte: das Akten-Schreddern ihrer Behörde. Auch über den ersten Häcksel-Fall informierte Schmid nur scheibchenweise, räumte erst auf Nachfragen ein, dass es ihr eigener Referatsleiter war, der die Ordner vernichten ließ, dass ihr Amt schon fünf Wochen Bescheid wusste, bevor es das Parlament informierte.

Auch eine Henkel-Affäre

Selbst wenn der Innensenator Schmid dafür nun entlassen sollte: Dieses Rumgedruckse, es ist auch seine Linie. Auch Henkel schwieg lange über den V-Mann Thomas S., auch er versuchte, sich aus der Affäre zu winden. Was den Berliner Sicherheitsbehörden an der NSU-Aufklärung liegt, bleibt so völlig schleierhaft. Dafür ist Henkel verantwortlich. Solange sich das nicht ändert, ist das Schreddern auch ein Henkel-Skandal.