Peer Steinbrück statt Schröder

Im Berliner Koalitionspoker hält sich die NRW-Linkspartei dezent zurück. Tolerierung einer Schröder-Regierung kein Thema. Duisburger Laakmann bringt Ex-Ministerpräsident Steinbrück ins Gespräch

VON MARTIN TEIGELER

Die NRW-Linkspartei will Gerhard Schröder nicht zum Bundeskanzler wählen. Während die etablierten Parteien in Berlin um Koalitionen streiten, halten sich Linkspartei.PDS und ihr Bündnispartner Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) zurück. „Eine Kanzlerwahl steht nicht zur Debatte“, sagte PDS-Landeschef und Neu-Parlamentarier Paul Schäfer gestern vor der Konstituierung der neuen Linkspartei-Bundestagsfraktion zur taz. Der linken Opposition komme es auf politische Inhalte an. „Bislang gibt es keine Signale, dass die SPD ihre unsoziale Politik ändern will“, so Schäfer. Deshalb könne die SPD nicht mit Stimmen der linken Abgeordneten rechnen.

5,2 Prozent der Zweitstimmen hatte die Linkspartei bei der Bundestagswahl in NRW erreicht (siehe Kasten). Neben Landesparteichef Schäfer ziehen sechs weitere Linkspartei-Abgeordnete in den Bundestag ein. Für WASG-Landessprecher Wolfgang Zimmermann sind die Linkspolitiker nach Berlin entsandt worden, um Opposition zu machen. „Eine Regierungsbeteiligung oder eine Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung kommt nicht in Frage“, so Zimmermann. Die WASG sei gegründet worden, um die Arbeitsmarktreform Hartz IV und die „neoliberale“ Politik der Bundesregierung zu bekämpfen. „Es geht um Inhalte. Wir verlangen von Rot-Grün eine völlige Abkehr von ihrer bisherigen Politik“, sagt Zimmermann. Solange dies nicht geschehe, existiere keine Grundlage für eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit.

Andere Linksbündnis-Politiker aus NRW äußerten sich in dieser Woche offener. Wenn sich die SPD beim Mindestlohn, bei der Umlage für nicht ausbildende Betriebe, bei Hartz IV und beim Spitzensteuersatz bewege, würde er Bundeskanzler Gerhard Schröder wählen, hatte der nordrhein-westfälische WASG-Abgeordnete Hüseyin Aydin am Mittwoch einer Nachrichtenagentur gesagt. „Wenn die SPD sagt, wir wollen Schröder und wir akzeptieren die Bedingungen, dann wählen wir auch Schröder.“ Ob sich die SPD auf die von ihm genannten Forderungen einlasse, wisse er nicht, sagte der IG-Metall-Funktionär aus Duisburg und frühere Landessprecher der WASG. Auf Druck der PDS-Führung, die einen Anti-Schröder-Wahlkampf geführt hatte, behält Aydin seine Meinung mittlerweile für sich.

Innerhalb der WASG-NRW sorgten die Aydin-Äußerungen für Aufregung. „Es gibt eine gewisse Empörung“, sagt Landeschef Zimmermann. Zahlreiche Emails, Faxe und Anrufe zu diesem Thema seien in der Düsseldorfer WASG-Landeszentrale eingegangen. Gestern Abend wollte der WASG-Landesvorstand über die aktuelle Lage debattieren. „Unsere Mitglieder und Wähler verstehen das nicht“, so Zimmermann. Selbst wenn die SPD und Schröder die von Aydin aufgestellten Forderungen erfüllten, sei er gegen eine Tolerierung oder eine Kanzlerwahl. „Mit den jetzt handelnden Personen bei der SPD – seien es Schröder, Müntefering oder Steinbrück – sehe ich keine Basis für eine Zusammenarbeit.“

Helmut Laakmann, WASG-Mitglied und Linkspartei-Direktkandidat in Duisburg, spricht sich ebenfalls gegen linke Leihstimmen für den amtierenden Kanzler aus. „Wir sind doch gegen Schröder angetreten“, sagt der Krupp-Arbeitskämpfer von 1987/88. „Ich habe in Stadtteilen wie Duisburg-Hochfeld bis zu 10 Prozent der Stimmen geholt, weil ich gegen die Politik des Kanzlers argumentiert habe“, so Laakmann. Falls die SPD allerdings wieder auf ihre früheren Stammwähler zugehe, ihre Politik verändere und etwa den früheren NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück als Spitzenmann präsentiere, ergebe sich eine andere Lage.

Doch die meisten Linkspartei-Aktivisten sehen Steinbrück als Vertreter des verhassten SPD-Mainstreams. Selbst bei den Sozialdemokraten gibt es nicht nur Steinbrück-Fans. Gestern kanzelte SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler den Ex-NRW-Landesvater ab: „Können Sie sich vorstellen, dass so einer aus der jetzt abgewählten zweiten Reihe in der Lage wäre, die SPD-Bundestagsfraktion in eine Demuts-Koalition mit der Union zu führen?“

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