Dreckstädte stauben ab

Dass die EU-Kommission den Kommunen für den Kampf gegen Feinstäube mehr Zeit geben will, finden besonders stark verstaubte Städte wie Essen prima. Andere warnen vor erneuter Untätigkeit

VON SUSANNE GANNOTT

Den Vorschlag der EU-Kommission, den Kommunen für ihren Kampf gegen die krebserregenden Feinstäube mehr Zeit einzuräumen, wird in Dreckhochburgen wie der staubgeplagten Stadt Essen dankbar aufgenommen: „Ein Aufschub von fünf Jahren wäre für uns eine sehr große Hilfe, weil viele Maßnahmen erst mittel- bis langfristig wirken werden“, erklärt ein Mitarbeiter des Stadtumweltamts der taz.

Der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hatte diese Woche vorgeschlagen, dass in Kommunen, deren geographische Lage die Probleme mit dem Feinstaub erschwert, die Einhaltung der Grenzwerte erst in bis zu fünf Jahren verbindlich sein sollte. Allerdings nur, wenn sie einen genauen Plan vorlegen, wie sie dem Problem Herr werden wollen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte den Vorschlag als „Angriff auf die europäische Luftreinhaltepolitik“ kritisiert, der nur im Interesse der Automobilindustrie liege und von EU-Ministerrat und -Parlament abgewehrt werden müsse.

Dagegen findet der Leiter für Umweltfürsorge beim Kölner Umweltamt, Ludwig Arentz, den Vorstoß aus Brüssel „in der Sache sicherlich richtig“. Städte in einer Kessellage oder mit einer bestimmten Bodenbeschaffenheit in der Umgebung hätten es im Kampf gegen die Stäube eben besonders schwer. Der Duisburger Umweltdezernent Peter Greulich (Grüne) wiederum steht dem Vorschlag aus Brüssel eher skeptisch gegenüber: „Das darf nicht dazu führen, dass wir die Hände in den Schoß legen.“ Er mahnt, die Kommunen müssten das in Aussicht gestellte Zeitfenster nutzen, um eine genaue Übersicht „über die verkehrliche Situation“ zu bekommen und „kluge Konzepte“ zu erarbeiten. „Das darf an unseren Bemühungen nichts ändern.“

Grundsätzlich ist man auch in Essen sehr einverstanden mit der seit Jahresbeginn geltenden Feinstaubrichtlinie. Danach können Bürger ihre Stadt verklagen, wenn der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten wird. Dadurch sei in Essen viel angestoßen worden, was sonst nie möglich gewesen wäre, heißt es aus dem Umweltamt – etwa die nun geplante Umrüstung der städtischen Fahrzeugflotte auf Erdgas oder Überlegungen zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs. „Solche Maßnahmen brauchen aber Zeit.“ Dagegen seien kurzfristige Maßnahmen wie Verkehrsumleitungen oder Sperrungen an so genannten „Hot Spots“, wie es sie in Essen und Düsseldorf bereits gibt, wenig sinnvoll, weil der Verkehr damit nur umgelenkt werde.

Das sieht man in Duisburg ähnlich. Die Diskussion um Partikelfilter für Dieselautos und Straßensperrungen sei zwar nicht unwichtig, findet Greulich. Den „größten Effekt“ erziele man jedoch mit einer Änderung des Bewusstseins und des Verkehrsverhaltens: „Das Fahrrad muss auch für die Nadelstreifen-Träger selbstverständlich werden.“