Seifenblasen aus dem schwarzen Loch

Ein Jahr ist es her, dass „Deutschlands Größter Indoor-Erlebnispark“, das Bremer Space-Center, seine Pforten schloss. Seither suchen der Bremer Senat und die Dresdner Bank nach Käufern für die Betonruine. Und nach Ideen, wie das schwarze Loch gefüllt werden kann. Ein Blick ins Blubberland

aus Bremen Armin Simon

Es fehlt bloß die Verpackung. Glitzerpapier, ein paar Schleifchen drum, und ab die Post. Weihnachten kommt bald. Wer will den Bremer Space Park?

Es will ihn niemand, das ist das Problem. Seit Jahren schon, erst recht seit einem. Da hat das „Space Center“, „Deutschlands größter Indoor-Erlebnispark“ seine Tore – Verzeihung: Eingangsschleusen – geschlossen. Zisch und zu. Und nun?

Der Space Park Bremen ist eine gigantische Immobilie. Sechs Hektar groß, plus noch dreimal soviel drumrum. Beton, edel verarbeitet. Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze erhofften sich seine Planer. Zwischen den Parkplätzen liegen blaue Glaskiesel. Man dürfe „nicht zu hohe Ansprüche stellen“, sagt der Abteilungsleiter im Bremer Rathaus über die möglichen Käufer: „Ich hoffe, es kommt überhaupt einer.“ Es kam lange keiner.

Zeit für Carlo Petri. Anfang 40, Groß- und Außenhandelskaufmann, studierter Wirtschaftswissenschaftler, mit Promotion über „kreatives Denken und Arbeiten“. Vor Jahren hat er einst mitgeplant am Projekt Space Park. Inzwischen ist er Betreiber des erfolgreichsten Bremer Tourismus-Projekts: des „Universum Science Center“, ebenfalls mit Staats-Millionen errichtet und am anderen Ende der Stadt gelegen. Im Gegensatz zum „Space Center“ zieht das „Universum“ jährlich hunderttausende von BesucherInnen an. Petri würde es gerne erweitern – auf Staatskosten selbstverständlich. 30 Millionen Euro soll der Anbau kosten. Die hat Bremen nicht.

Ende 2004 zieht Petri einen Trumpf aus der Tasche: die Rettung des Space Parks. Achterbahnen und Star Trek-Figuren im Halbdunkel reichten nicht aus, um massenhaft BesucherInnen aus dem Ruhrgebiet an die Weser zu locken, erklärt er. Das Thema „Raumfahrt“ müsse erweitert werden, auf „Luftfahrt und Fliegen“, samt all der Finessen, die sich die Natur da so ausgedacht habe. Petris Arbeitstitel für das Ganze: „LufTraum“. Sein Konzept „von der Schwerkraft zur Schwerelosigkeit“, wirbt der Unternehmer, verspreche nicht nur eine Lösung für den „Erlebnisbereich“, das „Space Center“, sondern für den ganzen, insgesamt gut dreimal so großen Space Park dazu. 44.000 Quadratmeter Einzelhandelsflächen sind hier aus dem Boden gestampft worden. Vermietet ist kein einziger davon. Er habe einen „Gesamt-Masterplan für das Füllen der ganzen Flächen, die da vermietbar und betreibbar sind“ in der Tasche, verspricht Petri: „Überall haben wir Nutzungen entwickelt, die sich gegenseitig befruchten.“ Und er habe sieben Investoren aus Bremen an der Hand, die diese Visionen in die Tat umsetzen würden. Einzige Bedingung: der Bremer Senat müsse den Einzelhandel im Space Park fördern – und die Millionen für das „Visionarum“, den Erweiterungsbau von Petris „Universum“ locker machen.

Petris „LufTraum“, 30 Seiten stark, macht Schlagzeilen. 120.000 Euro zahlt die staatseigene Bremer Investitionsgesellschaft für das Konzept. Anschließend verschwindet es in der Schublade. Von Petri und seinen angeblichen Partnern hebt keiner die Hand. Und von der Dresdner Bank, der 90 Prozent des Space Parks gehören, war bei der Vorstellung des sagenumworbenen Papiers erst gar niemand dabei.

Alles kein Problem: Bremens damaliger Wirtschaftssenator Peter Gloystein (CDU) erwartet schließlich bereits im Dezember 2004 Post von der Bank: die erste Liste mit interessierten Investoren. Sie wird nie öffentlich. Von rund 30 Interessenten ist im Frühjahr die Rede, die Schlange stünden, um den Betonbau zu übernehmen. Einen zweistelligen Millionenbetrag will die Bank noch erlösen. Im April verkündet sie, den Kreis der Bewerber inzwischen auf weniger als zehn reduziert zu haben, Abgabeschluss für deren Angebote: der 18. April. Vier Tage vor dem Termin hat sie noch kein einziges schriftliches Kaufangebot vorliegen.

Dafür fliegen, ebenfalls Anfang April, zwei Emissäre des Bremer Senats, Wirtschaftsstaatsrat Uwe Färber und Senatskanzlei-Abteilungsleiter Heseler, nach Edmonton, Kanada. Dort steht das weltgrößte Einkaufs- und Erlebniszentrum, die West Edmonton Mall, mit über 800 Geschäften und 110 Restaurants. Dessen Betreiber Triple Five, zugleich Betreiber des größten Einkaufszentrums der USA, hat Interesse am Space Park signalisiert, seine Vision: eine gigantische Spielhölle mit angegliederter Shopping-Zone, selbstverständlich auch sonntags geöffnet. Besichtigt haben die Kanadier das leer stehende Objekt in Bremen gleich nach dem Torschluss des Entertainment-Teils. Nun haben sie Fragen: Wie das mit den Öffnungszeiten ist in Bremen? Wie mit den Spielbank-Lizenzen und der Glücksspiel-Abgabe? Und sicher auch: Wie es mit öffentlichen Zuschüssen aussieht? 100 Spieltische und 1.200 „einarmige Banditen“, Spielautomaten also, schwebten Triple Five vor, heißt es. Der kanadische Konzern sei, so ist aus der Behörde zu hören, der Interessent mit dem „ernsthaftesten Interesse“.

Es ist ganz offenkundig nicht sonderlich groß. Triple Five plant, die Mall of America in Minnessota um 500.000 Quadratmeter zu erweitern, Investitionsvolumen: rund eine Milliarde US-Dollar. Was Triple Five in Bremen plant, ob die Firma dort überhaupt noch etwas plant, und ob Bremen von dem da eventuell Geplanten eher Vor- oder Nachteile hätte – alles ungeklärte Fragen. Die Investoren aus Kanada „haben sich ein bisschen zurückgezogen“ und seien „nicht mehr in einer aktiven Verhandlungsposition“, umschreibt das Bremer Wirtschaftsressort die Lage.

Der Verlust hält sich in Grenzen. Denn die Vorarbeit, die der Bremer Senat für den kanadischen Investor geleistet hat, war nicht umsonst. Sie lässt sich gleich zweitverwerten. Auf der nach unten offenen Interessenten-Liste für Bremens in Beton gegossenes, bruchgelandetes Weltall-Abenteuer, ist nämlich ein neuer Shooting-Star aufgetaucht: die Europe Israel Group aus Tel Aviv, Israel. Sie plant ebenfalls ein Klein-Las Vegas an der Weser. Wobei „klein“ hier in globalen Maßstäben zu interpretieren ist. Die mögliche Einzelhandelsfläche, gigantische vier Fußballfelder groß, sei viel zu klein, teilen die Investoren mit. Sie müsse mindestens verdoppelt werden. Eine Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe, eine Marina und ein künstlicher Strand am benachbarten Weser-Ufer sollen zusätzlich entstehen. Space Park? „Wir bauen ein wenig Riviera“, schwärmt Präsident Mordechay Zisser im Bremer Rathaus. Der Arbeitstitel? „Arena Bremen“. Das Weltall ist fern.

Bremen müsste ihr mögliches Engagement im Falle des Falles nach Kräften unterstützen, stellen die Bewerber klar. Neue Bebauungspläne, Spielhallen-Lizenz, Sondernutzungszone mit unbegrenzten Ladenöffnungszeiten, Umgestaltung des Uferbereichs einschließlich zusätzlicher Wohnbebauung – die Wunschliste ist lang. So viel TouristInnen werde ihr Projekt anlocken, dass Bremen seinen Bestand an Hotelbetten um 10.000 aufstocken müsse, teilen die Investoren mit. Selbst über eine – vor Jahrzehnten bereits verworfene – U-Bahn müsse die Hansestadt dann nachdenken.

Die Begeisterung hält sich in Grenzen. „Angesichts der Marktlage muss der Investor vor weiteren Überlegungen zu einer Vergrößerung der Einzelhandelsfläche plausibel machen, wie die bereits vorhandene Fläche genutzt werden kann“, fordert etwa die Handelskammer. Sonderregelungen bei den Ladenöffnungszeiten lehnt sie ab. Bremerhavens CDU-Bürgermeister Michael Teiser geißelt die Pläne für ein Kreuzfahrtterminal als „Treppenwitz der Geschichte“ – sei ein solches doch gerade in Bremerhaven für viele Millionen Euro modernisiert worden. Und Spielbank-Lizenzen, das sagen Juristen, könnten gar nicht direkt vergeben werden.

Die „Detailprobleme“ zu lösen, schreibt Bürgermeister Henning Scherf (SPD) nach Tel Aviv, sei eine „große, aber sich lohnende Aufgabe“. Er wolle das Projekt „ernsthaft und nachhaltig unterstützen“.