hört auf den Sound der Stadt

FATMA AYDEMIR

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben.“ Vielleicht ist Mitte November fast schon zu spät, um Rilkes „Herbsttag“ zu zitieren. Die trübe Stimmung der Jahreszeit zeichnet sich jedoch so deutlich im Konzertprogramm der kommenden Woche ab, dass man ergänzen möchte: Wer jetzt allein ist, wird es nicht lange bleiben, denn er wird in der Masse vor Bühnen herumtreiben.

Fink, der nihilistische Singer-Songwriter aus England, der den verregneten Novembertag wie kein anderer vertont, spielt am Donnerstag im Astra, ist aber leider schon ausverkauft. Zur selben Zeit ist im Huxleys aber eine andere besinnliche und etwas ausgewogenere Figur zu Gast, für die man noch Karten bekommen kann: Die zauberhafte Natasha Khan hat unter ihrem Pseudonym Bat For Lashes kürzlich das dritte Album „The Haunted Man“ veröffentlicht, auf dem sie Märchen, Mystik und Folk-Pop zu einer rituellen Schwermutsfeier verbindet, die sich auch gerne mal als Mittel gegen Schlafstörungen verwenden lässt. (Hasenheide 107–113, 20 Uhr, 23 Euro)

Weniger narkotisierend, aber immer noch diffus und gedämpft genug ist die Solistin Low Leaf, deren Name ja schon nach Herbst klingt. Nach eigenen Angaben stammt die Harfenspielerin, Sängerin und Pianistin (sie macht alles auf einmal!) vom Planeten Giga Gaia, wo das Organische und das Maschinelle eins seien. Mit Gesangsmelodien, die an Ms. Dynamite erinnern, Elektro-Grooves, die R’n’B sein könnten, und Gezupfe auf einem der ältesten Musikinstrumente erzeugt die Dame einen herzerwärmenden Sound, der aber nicht der ihrige sei, wie sie sagt, sondern ein Moment des reinen Experimentierens: „You are not your art. Evolve with no shame.“ Am Samstagabend wird Low Leaf im Monarch verwirren. (Skalitzerstr. 134, 21 Uhr, 12 Euro)

Französischen Retro-Pop in Braun- und Beigetönen gibt es am Sonntag im Frannz. Das Pariser Duo Brigitte gilt in der Heimat als Newcomer des Jahres und wurde dieses Jahr mit dem dort renommiertesten Musikpreis, dem Victoire de la Musique, ausgezeichnet. Seitdem tingeln Sylvie Hoarau und Aurélie Saada durch Europa, um auch den Rest des Kontinents mit ihrem Tour-Titel zu fragen: „Et vous, tu m’aimes?“ Ihre am Küchentisch komponierten, halblauten und oft ironischen Lieder wechseln zwischen 70er-Jahre-Funk-Coolness, mädchenhaftem Bikini-Charme à la Nancy Sinatra und dem guten alten Chanson. (Knaackstr. 97, 21 Uhr, 16 Euro)

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