LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Özkan Mayda wurde freigelassen!

betr.: „Gericht will Fall bald verhandeln“, taz vom 26. 5. 17

Liebes taz Team, wenn Sie sich erinnern – ich bin die Mutter eines Journalisten, der in Haft war. Ich möchte unser Glück mit Ihnen teilen. Mein Sportjournalistensohn Özkan Mayda und seine Journalistenkollegen, die in Haft waren, standen am 24. Mai 2017 vor Gericht. Mein Sohn und sein Freund Olgun Matur wurden freigelassen. Vielen Dank für Ihre Solidarität und Unterstützung. Mein Sohn vermittelt Grüße an Sie. MEMNUNE und ÖZKAN MAYDA, Antalya, Türkei

NSU: Medienversagen – warum?

betr.: „Wir waren blind“, taz vom 25. 5. 17

Liebe taz, dass es im NSU-Fall ein eklatantes Medienversagen gab, das ist seit Jahren bekannt. Es braucht eigentlich keine aufwändige Studie, um dieses Offensichtliche noch mal nachzuweisen. Interessant wäre dagegen, vielleicht einmal genauer zu recherchieren, wie dieses Medienversagen zustande kam. Da gibt es ja nie nur die eine, alles erklärende Ursache.

Wie viel war blindes Nachplappern falscher Informationen aus Ermittlerkreisen? Wie viel war eigenes Aufbauschen und Spekulieren aus (vielleicht unbewussten) rassistischen Vorurteilen? Und natürlich wäre interessant zu erfahren, woher die Fehlinformationen eigentlich kamen. Sie berichten, dass die Welt 2005 gewusst haben will, dass eine türkische Bande hinter den Morden stecke und die Süddeutsche meldete, dass alle Opfer in ein illegales türkisches Unternehmen investiert hätten.

Irgendjemand muss sich diese Unwahrheiten ausgedacht haben. Wer? Die Nachplapperer gibt’s immer, leider. Die wichtigere journalistische Aufgabe wäre, die Lügner an den Pranger zu stellen.

MARTIN SCHÖNEMANN, Hamburg

Was sagt denn Karim zu alldem?

betr.: „Karim, ich muss dich abschieben“, taz vom 27./28. 5. 17

Liebe Redaktion, lieber Hannes Koch, der Text macht mich nachdenklich. Ich denke, ich bin überwiegend dankbar dafür – auch wenn mir Hannes Kochs Überlegungen in manchem so erscheinen wie das, was Peter Weissenburger in derselben Ausgabe als „die ganze Wasserfarbenpalette aus Antiestablishment, Political-Correctness-Paranoia und Fremdenfeindlichkeit“ bezeichnet. Kann man Karim verstehen, dass er sich verloren, depressiv, vom Leben überfordert fühlt? Dass er flieht in Schlaf und Essen und zielloses Treiben? Dass er sich versteckt vor den Herausforderungen des neuen Lebens, in dieser Familie, die ihn aufgenommen hat?

Natürlich kann und sollte man das – er hat schließlich seine ganze Familie verloren und noch dazu alles, was ihm vertraut war, was sein Leben bislang ausgemacht hat. Das zu verstehen oder wirklich empathisch mitzufühlen (wie Koch es von sich selbst doch auch immer wieder verlangt), erscheint mir extrem schwer – und doch ist es vielleicht erlernbar?

Hat Koch dann die Verantwortung dafür? Vielleicht schon. Vielleicht macht er es sich zu leicht. Und sollte sich gleichzeitig doch nicht aufopfern. Es sind keine einfachen Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Mich erinnern Kochs Überlegungen auch an eigene: Seit mehr als zwei Jahren betreue ich regelmäßig Kinder aus geflüchteten Familien in einer Gemeinschaftsunterkunft in Berlin, während ihre Mütter Deutsch lernen. Wir sind meist nur noch zu zweit mit teilweise bis zu 18 Kindern, und die Aufgabe wird zunehmend anstrengend, macht häufig „keinen Spaß“ mehr. Aber sollte sie das? Kann ich erwarten, dass ich dabei „Spaß“ habe? Soll ich dann wegbleiben, wenn es mir keine Freude mehr macht?

Wichtig finde ich, dass es nicht bei diesem Text bleibt – sonst wird es schief oder schlimmstenfalls hässlich. Karims Schicksal als reiner Text, als Einkommensquelle für den Autor, als Möglichkeit für ihn, sein Handwerk weiter zu üben, sich zu profilieren? Sicher könnte auch der Autor das kaum ertragen. Und was sagt denn Karim zu alldem? Kommt er auch zu Wort? Sollte er das? Was es braucht, sind doch Debatten, die all die schwierigen Fragen stellen und dann auch mutig angehen. Was ist moralisch richtig? Was ist machbar? Wie kann Zusammenleben in Zukunft aussehen? Ich habe mehr Fragen als Antworten – nur erscheint es mir wichtig, dass wir all dem Raum geben, uns den Herausforderungen stellen, und dass wir die Fragen so ernsthaft diskutieren, wie es notwendig ist, wie es Karims Würde verdient und auch die von Hannes Koch und von jedem Einzelnen und der Gemeinschaft. Ich hoffe, es bleibt nicht bei diesem Beitrag. Sie können als Redaktion einen Beitrag dazu leisten, diesen Fragen Raum zu geben und sie voranzutreiben. Gerne einschließlich von Aufrufen zur Vernetzung und Teilnahme. Beste Grüße. CORINNA DITSCHEID, Berlin

Studieren geht vor Bequemlichkeit

betr.: „Bequem studieren per Mausklick“, taz vom 24. 5. 17

Hauptsache, das Studium ist bequem, lautet die Botschaft. Wirklich schlimm ist aber, was die zitierten Studierenden von sich geben. Die erste: „Bis jetzt habe ich auch immer nur solche bereitgestellten Textauszüge zum Lernen genutzt.“ Ja, wo kämen wir denn hin, wenn Studierende Texte lesen würden, die nicht von anderen bereitgestellt wurden? Die Antwort gibt der weiter unten zitierte Studierende: „Am Ende lernt man vielleicht etwas Falsches oder Unwichtiges.“

Man muss sich gewiss vor Niedergangsfantasien hüten – aber hier fällt es einem schon schwer, sich solcher zu erwehren.

Gruselig. Trotzdem schöne Grüße.

WOLFGANG LUDWIG-MAYERHOFER, Siegen